01.01.2024

Zuständigkeit

1. Ordentliches Verfahren

Zuständig für die Durchführung des Nachsteuerverfahrens ist nach § 175 Abs. 1 StG die Dienststelle Steuern des Kantons. Innerhalb der Dienststelle Steuern bleibt die Zuständigkeit für das gesamte Nachsteuerverfahren grundsätzlich bei der Stabsstelle Recht und Aufsicht, Team Nachsteuern und Steuerstrafen. Sie leitet die Verfahren ein, führt Untersuchungen durch und erlässt Entscheide in Nachsteuersachen. Nicht in ihren Zuständigkeitsbereich dagegen fällt der Bezug der veranlagten Nachsteuern. Die Ausführungen über das Verfahren nach dem Luzerner Steuergesetz gelten auch für das Verfahren zur Festsetzung der Nachsteuern nach DBG.

2. Delegation

Aus verfahrensökonomischen Gründen sieht § 175 Abs. 2 StG vor, dass die Dienststelle Steuern des Kantons bestimmen kann, inwieweit die Durchführung des Nachsteuerverfahrens an die Veranlagungsbehörde delegiert werden soll. Damit besteht die Möglichkeit, das gesamte Nachsteuerverfahren an die Veranlagungsbehörde zu delegieren.

Von dieser Möglichkeit wird zum einen im vereinfachten Verfahren Gebrauch gemacht (s. unten Ziff. 3).

Eine weitere allgemeine Nutzung der Delegationsmöglichkeit ist vorgesehen, wenn beim Tod einer steuerpflichtigen Person im Rahmen der Inventaraufnahme unvollständige Veranlagungen festgestellt werden. In diesen Fällen ist ausschliesslich die Nachsteuer nachzubeziehen, jedoch keine Busse wegen Steuerhinterziehung (für Ehegatten vgl. aber Ziff. 3). Auch diese Fälle können durch die Veranlagungsbehörde erledigt werden (vgl. LU StB Bd. 2a Weisungen StG §§ 182 - 188 Nr. 1).

Neben den genannten Delegationen von Fallgruppen kann die Dienststelle Steuern des Kantons auch in Einzelfällen das gesamte Verfahren oder Verfahrensabschnitte an die Veranlagungsbehörde delegieren. Dies kann sich etwa aufdrängen, wenn diese Behörde bereits umfangreiche Voruntersuchungen getätigt hat und mit einem Fall bestens vertraut ist. Über solche Delegationen wird von Fall zu Fall entschieden.

3. Vereinfachtes Verfahren

Das vereinfachte Verfahren wurde aus verfahrensökonomischen Gründen geschaffen und berücksichtigt die objektive Schwere eines Falls. Es kann dort angewendet werden, wo in der massgebenden Zeit ein Einkommen von nicht mehr als CHF 30'000 und ein Vermögen von nicht mehr als CHF 600'000 hinterzogen worden ist oder das hinterzogene Einkommen nicht mehr als 5% des steuerbaren Einkommens und das hinterzogene Vermögen nicht mehr als 5% des steuerbaren Vermögens beträgt. Es besteht kein Rechtsanspruch auf die Durchführung des vereinfachten Verfahrens. Ob dieses bei Einhaltung der Voraussetzungen durchgeführt wird, entscheidet die Veranlagungsbehörde.

Wo ein vereinfachtes Verfahren in Frage kommt, werden das hinterzogene steuerbare Einkommen und das hinterzogene steuerbare Vermögen zunächst genau so wie in einem ordentlichen Verfahren ermittelt. Sind in der gesamten massgebenden Nachsteuerperiode die Limiten von CHF 30'000 und CHF 600'000 oder 5% des steuerbaren Einkommens und Vermögens nicht überschritten, werden das hinterzogene steuerbare Einkommen und das hinterzogene steuerbare Vermögen um einen Zuschlag von jeweils einem Drittel erhöht. Die auf diese Weise ermittelten steuerbaren Einkommen und Vermögen werden dann in der nächsten noch nicht rechtskräftig veranlagten Steuerperiode aufgerechnet und nachbesteuert. Mit dem Zuschlag um einen Drittel sind Kosten, Zins und eine allfällige Busse abgegolten. Ist die steuerpflichtige Person vor dem Abschluss des vereinfachten Verfahrens verstorben oder liegt eine straflose Selbstanzeige im Sinn von § 211 Abs. 3 StG innerhalb der oben erwähnten Limiten vor, wird ein Zuschlag von einem Zehntel erhoben.

Meldungen der Abteilung juristische Personen über Spesenaufrechnungen, Privatanteile an Fahrzeugkosten, Darlehenszinsen und andere geldwerte Leistungen von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften an ihre Beteiligten gelangen in der Regel erst nach Rechtskraft der massgebenden Veranlagung der natürlichen Personen an die zuständige Veranlagungsbehörde. Ohne ein ordentliches Nachsteuerverfahren einzuleiten, können diese steuerbaren Einkünfte/Vermögenswerte, bis zu den oben erwähnten Limiten (unter Berücksichtigung der Teilbesteuerung; vgl. LU StB Bd. 1 Weisungen StG § 27 Nr. 3) in der nächsten noch nicht rechtskräftig veranlagten Steuerperiode (ohne Zuschläge) aufgerechnet werden. In einem allfälligen Einspracheverfahren soll auf die Möglichkeit des Nach- und Steuerstrafverfahrens hingewiesen werden. Wird an der Einsprache festgehalten, ist je nach Situation ein Nach-, eventuell sogar ein Steuerstrafverfahren einzuleiten (§ 176 bzw. § 219 StG).

Folgende Beispiele veranschaulichen das vereinfachte Verfahren:

Beispiel 1

Steuerperiode Steuerhinterziehung Staats- und Gemeindesteuern Direkte Bundessteuer
    Einkommen CHF Vermögen CHF CHF
2015 Bankguthaben 3'500 70'000 0
2016 do. 3'500 70'000 0
2017 do. 4'000 80'000 4'000
2018 do. 4'000 80'000 4'000
2019 do. 3'750 75'000 3'750
2020 do. 3'750 75'000 3'750
2021 do. 3'750 75'000 3'750
2022 do. 3'750 75'000 3'750
Steuerhinterziehung total
30'000 600'000 23'000

Die Limiten für das vereinfachte Verfahren von CHF 30'000 und CHF 600'000 sind eingehalten.  

Zuschlag 1/3   10'000 200'000 7'666
Nachbesteuerung in der Steuerperiode 2023
40'000 800'000 30'666

Beispiel 2

Steuerperiode Steuerhinterziehung Staats- und Gemeindesteuern Direkte Bundessteuer
    Einkommen CHF Vermögen CHF CHF
2016 Bankguthaben 4'000 80'000 4'000
2017 do. 4'000 80'000 4'000
2018 do. 3'750 75'000 3'750
2019 do. 3'750 75'000 3'750
2020 do. 3'750 75'000 3'750
2021 do. 3'750 75'000 3'750
2022 do. 4'000 80'000 4'000
Steuerhinterziehung total
27'000 540'000 27'000
Die Limiten für das vereinfachte Verfahren von CHF 30'000 und CHF 600'000 sind eingehalten.  
Zuschlag 1/3
9'000 180'000 9'000
Nachbesteuerung in der Steuerperiode 2023 36'000 720'000 36'000

Beispiel 3

Steuerperiode Steuerhinterziehung Staats- und Gemeindesteuern Direkte Bundessteuer
    Einkommen CHF Vermögen CHF  CHF
2015 Bankguthaben 4'400 71'000 4'400
2016 do. 4'400 71'000 4'400
2017 do. 4'350 73'000 4'350
2018 do. 4'350 73'000 4'350
2019 do. 4'550 73'000 4'550
2020 do. 4'550 73'000 4'550
2021 do. 4'600 66'000 4'600
2022 do. 4'800 70'000 4'800
Steuerhinterziehung total
36'000 570'000 36'000
Die Limiten für das vereinfachte Verfahren von CHF 30'000 und CHF 600'000 sind nur in Bezug auf das Vermögen, nicht aber in Bezug auf das Einkommen eingehalten. Im Hinblick auf das steuerbare Einkommen ist nun zu prüfen, ob in den massgebenden Jahren (2015 - 2022) nicht mehr als 5% des steuerbaren Einkommens hinterzogen worden ist. 
Steuerhinterziehung 2015 - 2022 Ø 4'500   4'500
Steuerbares Einkommen 2015 - 2022 Ø 90'000   90'000
In der massgebenden Zeit wurde demnach nicht mehr als 5% des steuerbaren Einkommens hinterzogen. Das vereinfachte Verfahren kann durchgeführt werden. 
Zuschlag 1/3   12'000 190'000 12'000
Nachbesteuerung in der Steuerperiode 2023
48'000 760'000 48'000

Beispiel 4: Aufrechnung im Todesjahr

Eine Person stirbt am 30. Juni 2022. Für das Vermögen erfolgt eine zusätzliche Umrechnung, wenn die hinterzogenen Werte im Todesjahr erfasst werden (da kein ganzes Steuerjahr). Annahme über die nachzuerfassenden Jahre hat die verstorbene Person CHF 450'000 Vermögen und CHF 9'000 Einkommen hinterzogen. Für das vereinfachte Verfahren ergibt sich folgende Nachbesteuerung:

Position  Vermögen CHF Einkommen CHF
Hinterzug  450'000 9'000
1/10 Zuschlag 45'000 900
Total 495'000 9'900
Nachzubesteuern (495'000 x 12 : 6) 990'000  

Das Verschulden der steuerpflichtigen Person ist im vereinfachten Verfahren nicht Gegenstand der Untersuchung. Mit dem Zuschlag von einem Drittel ist eine Busse pauschal abgegolten, und weitere strafrechtliche Untersuchungen werden auf diese Weise vermieden.

Das vereinfachte Verfahren ist von der Zustimmung der steuerpflichtigen Person abhängig. Reicht die steuerpflichtige Person nach Ablauf der gesetzten Frist keine Zustimmungserklärung ein, wird sie unter Ansetzung einer Nachfrist auf das Versäumnis hingewiesen. Verlangt die steuerpflichtige Person eine Anhörung oder äussert sie sich schriftlich zum Verfahren, gewährt die Veranlagungsbehörde das rechtliche Gehör, d.h. sie hört die steuerpflichtige Person an oder nimmt zu ihrem Schreiben Stellung. Erfolgt daraufhin keine Zustimmungserklärung, wird das Dossier inklusive Sachverhaltsdarstellung an die Stabsstelle Recht und Aufsicht, Team Nachsteuern und Steuerstrafen weitergeleitet. Kommt die steuerpflichtige Person in irgend einem Verfahrensstadium zum Schluss, dass jenes Verfahren den besonderen Verhältnissen ihres Falls nicht gerecht wird, kann sie die Durchführung des ordentlichen Nachsteuer- und Steuerstrafverfahrens verlangen.

Für hinterzogene Quellensteuern führt die Abteilung Natürliche Personen, Team Quellensteuer ein vereinfachtes Verfahren gegen die Schuldner/innen der steuerbaren Leistung durch. Der Nachsteuerbetrag wird um einen Zuschlag von einem Drittel erhöht. Mit diesem Zuschlag sind die Verfahrenskosten, die Zinsen sowie eine allfällige Busse pauschal abgegolten. Die Schuldner/innen der steuerbaren Leistung können mittels Einsprache innert 30 Tagen die Durchführung eines ordentlichen Nachsteuer- und Steuerstrafverfahrens verlangen.