1. Allgemeines
Der Übergang von der straflosen Vorbereitung zum strafbaren Versuch einer Steuerhinterziehung findet statt, wenn die zur Tat entschlossene steuerpflichtige Person mit der Ausführung der Tat beginnt. Bei der Steuerhinterziehung erfolgt dies regelmässig mit der Einreichung der Steuererklärung; als Beginn des Versuchs denkbar ist aber etwa auch das Erteilen einer Auskunft. Auch die Verletzung einer Verfahrenspflicht durch vorsätzliche Unterlassung kann einem Hinterziehungsversuch gleichkommen.
2. Tatbestand
2.1 Objektiver Tatbestand
Der Versuch einer Steuerhinterziehung liegt vor, wenn die Hinterziehungshandlung der steuerpflichtigen Person vor Eintritt der Rechtskraft der Veranlagung entdeckt wird. Der Taterfolg bleibt in diesem Fall aus, da eine unvollständige Veranlagung noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist oder eine unterbliebene Veranlagung noch nicht verjährt ist. Sobald zur Herbeiführung einer gesetzmässigen Veranlagung nur noch das Nachsteuerverfahren zur Verfügung steht, gilt die Steuerverkürzung als vollendet.
Ist die Einsprachefrist nach § 154 Abs. 1 StG von 30 Tagen unbenutzt verstrichen, tritt die Rechtskraft einer Veranlagung ein. Wird eine Hinterziehung erst später entdeckt, liegt bereits eine vollendete Steuerhinterziehung vor.
Im übrigen kann im Hinblick auf den objektiven Tatbestand auf die Bemerkungen zu § 211 StG verwiesen werden.
2.2 Subjektiver Tatbestand
Die versuchte Steuerhinterziehung ist nur bei vorsätzlicher Begehung strafbar (vgl. LU StB Bd. 2a Weisungen StG § 211 Nr. 1 Ziff. 3.2 und unten Ziff. 4). Die steuerpflichtige Person kann sich der Verantwortung für eine vollständige Deklaration ihres Einkommens nicht dadurch entziehen, dass sie die Erstellung der Buchhaltung und der Steuererklärung ohne klare Instruktionen und ohne jegliche Kontrolle einem Treuhandbüro überträgt. Wenn sich die steuerpflichtige Person überhaupt nicht darum kümmert, ob die von ihr gemachten Angaben richtig bzw. ob die für sie abgegebene Jahresrechnung und Steuererklärung vollständig sind, nimmt sie den Versuch einer Steuerkürzung eventualvorsätzlich in Kauf (BGE vom 13.11.2001 i.S. X.).
3. Sanktion
Wie bei der vollendeten Steuerhinterziehung bemisst sich die Busse bei der versuchten Steuerhinterziehung nach dem zu hinterziehen versuchten Steuerbetrag. In einem ersten Schritt ist demnach die Busse zu ermitteln, die bei vollendeter Begehung auszusprechen wäre (vgl. LU StB Bd. 2a Weisungen StG § 211 Nr. 1 Ziff. 4).
Nach § 212 Abs. 2 StG ist diese Busse für die hypothetische vollendete Steuerhinterziehung anschliessend auf 2/3 zu reduzieren. Der Strafrahmen reicht demnach von 2/9 bis zum Zweifachen der hinterzogenen Steuer.
4. Einfaches Verfahren
Liegt eine versuchte Steuerhinterziehung vor und gibt es keine Anhaltspunkte, dass dem Versuch eine vollendete Steuerhinterziehung vorausging, steht zur Vereinfachung und Beschleunigung ein spezielles Verfahren zur Verfügung. Im Unterschied zum vereinfachten Verfahren für die vollendete Steuerhinterziehung (vgl. LU StB Bd. 2a Weisungen StG § 175 Nr. 1 Ziff. 3) wird das einfache Verfahren für die versuchte Steuerhinterziehung unabhängig vom Deliktsbetrag angewendet. Es bestehen keine betraglichen Limiten.
Voraussetzung für die Verhängung einer Busse wegen versuchter Steuerhinterziehung ist ein Verschulden in Form des Vorsatzes (siehe oben Ziff. 2.2). Fahrlässigkeit reicht nicht aus. Vorsatz liegt vor, wenn die steuerpflichtige Person mit Wissen und Willen gehandelt hat. Die Veranlagungsbehörde soll sich im Rahmen des einfachen Verfahrens soweit als möglich davon überzeugen, dass tatsächlich vorsätzlich versucht worden ist, Steuern zu hinterziehen, bevor eine Busse ausgesprochen wird. In erster Linie sind Fälle zu ahnden, bei denen der Vorsatz offensichtlich ist, es um hohe Beträge geht oder es zu wiederholten Unregelmässigkeiten im Veranlagungsverfahren gekommen ist und deshalb eine präventive Wirkung erzielt werden soll. Bestehen Zweifel, ob der Vorsatz gegeben ist, kann ein Fall mit der Dienststelle Steuern des Kantons, Stabsstelle Recht und Aufsicht, Team Nachsteuern und Steuerstrafen, besprochen werden. Auf diese Weise wird vermieden, dass ein Verfahren wegen versuchter Steuerhinterziehung unverrichteter Dinge eingestellt werden muss, weil die steuerpflichtige Person im einfachen Verfahren keine Zustimmungserklärung abgegeben hat und später im ordentlichen Verfahren kein Vorsatz nachgewiesen werden kann.
Wie beim vereinfachten Verfahren für die vollendete Steuerhinterziehung gibt es einen pauschalen Zuschlag. Dieser beträgt 1/3 des zu hinterziehen versuchten Betrages und ist in der offenen Veranlagung zusammen mit dem zu hinterziehen versuchten Betrag aufzurechnen.
Bei deren Zustimmung ist das Verfahren rechtskräftig erledigt. Andernfalls kommt es zu einem ordentlichen Steuerstrafverfahren wegen versuchter Steuerhinterziehung.
Beispiel
Position |
Einkommen
CHF |
Vermögen
CHF |
Deklariertes steuerbares Einkommen |
55'000 |
600'000 |
+ zu Hinterziehen versucht |
9'600 |
240'000 |
+ 1/3 Zuschlag |
3'200 |
80'000 |
Effektives steuerbares Einkommen / Vermögen |
67'800 |
920'000 |
Einleitung, Durchführung und Abschluss des Verfahrens (bei Zustimmung) erfolgt im Rahmen des ordentlichen, d.h. aktuellen Veranlagungsverfahrens. Die im Veranlagungsverfahren gesicherten Beweismittel (Dokumente, Belege, Buchhaltungen usw.) sind, soweit sie für das Hinterziehungsverfahren von Bedeutung sind, auch für dieses Verfahren zu sichern und zu verwenden. Einreden im Veranlagungsverfahren, die dahin gehen, dass Beweismittel und Auskünfte nicht eingereicht würden, weil diese in einem späteren Hinterziehungsverfahren verwendet werden könnten, sind wegen der Sicherstellung einer ordnungsgemässen Veranlagung (Offizialmaxime) nicht zu hören (vgl. LU StB Bd. 2a Weisungen StG § 220 Nr. 1 Ziff. 1).
Wird keine Zustimmung seitens der steuerpflichtigen Person erreicht, ist der Fall an das Team Nachsteuern und Steuerstrafen weiterzuleiten.
5. Ordentliches Verfahren
Stellt die Veranlagungsbehörde fest, dass neben dem Verdacht einer versuchten Steuerhinterziehung auch Verdacht auf eine vollendete Steuerhinterziehung besteht, ist dies dem Team Nachsteuern und Steuerstrafen der Dienststelle Steuern des Kantons mit der Meldung bzw. dem Antrag zur Durchführung eines Steuerhinterziehungsverfahrens anzuzeigen.
Das Team Nachsteuern und Steuerstrafen leitet in diesen Fällen das Verfahren betreffend des Steuerhinterziehungsversuchs ein, führt die Untersuchungen nötigenfalls unter Beizug der Veranlagungsbehörde durch und setzt die Busse (inkl. Versuch) fest.
Analoges gilt für das weitere Vorgehen, falls im einfachen Verfahren keine Zustimmung seitens der steuerpflichtigen Person erreicht wird (vgl. Ziff. 4).