01.01.2024

Untersuchung

1. Grundsätze

Im Steuerstrafverfahren gelten die Offizial- und die Untersuchungsmaxime. Nach der Offizialmaxime hat die Steuerbehörde das Recht und die Pflicht, das Verfahren einzuleiten, dessen Gegenstand zu bestimmen und es durch Verfügung oder Urteil zu beenden. Die Untersuchungsmaxime besagt, dass die Behörde den Sachverhalt von sich aus abklärt. Sie ist verantwortlich für die Beschaffung der für den Entscheid notwendigen Unterlagen, und Beweisanträge und Sachverhaltsdarstellungen der Parteien sind für die Behörde nicht bindend.

Die Untersuchungsmaxime ist im Steuergesetz in § 220 Abs. 1 Satz 1 wiedergegeben, wonach die zuständige Steuerbehörde die erforderlichen Untersuchungen durchführt. Dabei stehen ihr die Befugnisse der Veranlagungsbehörde im Veranlagungsverfahren zu. Sie kann also umfassend mündliche oder schriftliche Einkünfte einholen, Belege und Urkunden verlangen oder auch Bescheinigungen und Auskünfte Dritter verwenden. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass die steuerpflichtige Person gestützt auf das in Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Recht, zu schweigen und nicht gegen sich aussagen zu müssen, im Steuerstrafverfahren berechtigt ist, die Auskunft zu verweigern und keine Belege einzureichen; für das Vorgehen bei gemeinsamer Durchführung des Nach- und Steuerstrafverfahrens vgl. LU StB Bd. 2a Weisungen StG § 178 Nr. 1 Ziff. 1). Entsprechend ist in (reinen) Steuerstrafverfahren auch keine Busse wegen Verletzung von Mitwirkungspflichtigen nach § 208 StG auszusprechen. Ebenso dürfen Beweismittel, die aus einem Nachsteuerverfahren resultieren, nur dann verwendet werden, wenn sie weder unter Androhung einer Busse wegen Verfahrenspflichtverletzung noch Androhung einer Ermessensveranlagung erlangt wurden (§ 220 Abs. 2 StG).

Die Behörde würdigt die Beweisergebnisse nach pflichtgemässem Ermessen. Sie berücksichtigt dabei auch das Verhalten der Parteien im Verfahren.

Die Steuerbehörde trägt die Beweislast für die steuerbegründenden Tatsachen. Sie hat den Beweis für nicht versteuertes Einkommen oder Vermögen zu erbringen.

2. Einvernahme der angeschuldigten Person

Der angeschuldigten Person wird das rechtliche Gehör gewährt. Sie kann insbesondere verlangen, dass sie zur Tat einvernommen wird (§ 220 Abs. 1 StG). Verlangt die angeschuldigte Person selber eine Einvernahme (§ 157 Abs. 1 StG), ist eine solche auf jeden Fall durchzuführen, auch wenn sich die Untersuchungsbehörde davon nichts verspricht. Eine solche Einvernahme kann auch von Amtes wegen angeordnet werden, wenn dies für die Untersuchung notwendig ist. Besonders in komplexeren und umstrittenen Verfahren dürfte sie unumgänglich sein.

Für die Befragung der angeschuldigten Person sind die §§ 88 - 92 VRG (i.V.m. § 132 Abs. 2 StG) heranzuziehen. Form und Inhalt der Vorladung richten sich nach § 27 VRG (i.V.m. § 132 Abs. 1d StG). Bei der Einvernahme ist der angeschuldigten Person die zur Last gelegte Handlung in allgemeiner Weise vorzuhalten. Die Einvernahme selbst erfolgt zu belastenden und entlastenden Tatsachen.

Die Befragung kann als Parteieinvernahme nach § 88 VRG ohne oder als Beweisaussage nach § 89 VRG mit Strafdrohung von Art. 306 und 309 StGB geführt werden. Unabhängig von einer Strafdrohung ist die angeschuldigte Person immer zur Wahrheit zu ermahnen.

2.1 Vorladung

Die Vorladung hat schriftlich spätestens 10 Tage vor dem angesetzten Termin zu erfolgen. Vorbehalten bleiben dringliche Fälle (§ 27 VRG i.V.m. § 132 Abs. 1e StG).

Die Vorladung hat gemäss § 27 Abs. 2 VRG folgende Angaben zu enthalten:

a) Ort und Zeit des Erscheinens
b) Gegenstand der Einvernahme und verfahrensrechtliche Stellung des Vorgeladenen, soweit diese Angaben den Zweck des Verfahrens nicht beeinträchtigen
c) Säumnisfolgen (§ 86 VRG)

2.2 Ablauf

Bei der Einvernahme des Beschuldigten ist wie folgt vorzugehen:

  1. Feststellung der Personalien (Name, Vorname, Geburtsdatum, Beruf, Heimatort bzw. Staatsangehörigkeit, Adresse, Zivilstand) bzw. Vergewisserung, dass diese mit den Angaben in der Steuererklärung übereinstimmen.
  2. Orientierung über die erhobene Beschuldigung in einer für den Einvernommenen verständlichen Sprache oder unter Beizug einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers.
  3. Ermahnung zur Wahrheit und Hinweis auf das Recht der Aussageverweigerung (Hinweis auf § 91 VRG)
  4. Eigentliche Befragung zum Sachverhalt und Gewährung der Möglichkeit, zu den erhobenen Beschuldigungen Stellung zu nehmen.
  5. Eventuell Konfrontation des Einvernommenen mit Personen, die widersprüchliche Angaben gemacht haben.
  6. Protokollierung: Im Protokoll ist folgendes festzuhalten:
    die Einleitung gemäss Ziffer 1 - 3
    das erhebliche Ergebnis der Befragung, aufgeteilt in Fragen und Antworten evtl. auch in Berichtsform
    weitere erhebliche Äusserungen zur Sache
    die Protokollgenehmigung
    das Protokoll wird den Einvernommenen vorgelesen oder zum Lesen gegeben
    der/die Einvernehmende, der/die Protokollführer/in und der/die Einvernommene bestätigen die Richtigkeit des Protokolls mit ihrer Unterschrift
    verweigert der/die Einvernommene die Unterzeichnung, ist dies im Protokoll zu vermerken

2.3 Aussageverweigerung

Verweigert die angeschuldigte Person die Aussage, ohne sich auf § 91 VRG zu berufen, ist sie darauf aufmerksam zu machen, dass sie für das Nachsteuerverfahren zur Aussage verpflichtet ist (vgl. Ziff. 1). Verweigert die angeschuldigte Person die Aussage immer noch, ist ihr eine Ordnungsbusse gemäss § 208 StG anzudrohen. Weigert sie sich weiter, ist androhungsgemäss eine Ordnungsbusse auszusprechen und im Bedarfsfall zu wiederholen.

3. Zeugeneinvernahme

Nach § 220 Abs. 1 StG ist die untersuchende Behörde auch zur Zeugeneinvernahme nach §§ 73 - 87 VRG berechtigt. Der Zeuge steht unter der Strafdrohung von Art. 307 und 309 StGB.

3.1 Vorladung

Vgl. Ziff. 2.1.

3.2 Einvernahme

Für die Zeugeneinvernahme gelten § 73 ff. (i.V.m. den §§ 132 Abs. 2 und 220 Abs. 1 StG). Das eigentliche Verfahren richtet sich insbesondere nach § 81 ff. VRG (vgl. dort).

3.3 Teilnahme der angeschuldigten Person

Die angeschuldigte Person ist berechtigt, den Zeugeneinvernahmen beizuwohnen (§ 80 Abs. 1 VRG). Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn die Abklärung des Sachverhalts oder die Dringlichkeit des Verfahrens es erfordern, die Zeuginnen und Zeugen in Abwesenheit der Beschuldigten einzuvernehmen (§ 80 Abs. 2 VRG).

3.4 Zeugenlohn

Die/der Zeugin/Zeuge hat Anspruch auf die in den Kostenverordnungen vorgesehene Entschädigung (§ 87 VRG i.V.m. §§ 132 Abs. 2 und 220 Abs. 1 StG). Danach bezieht die Zeugin bzw. der Zeuge für jedes Erscheinen CHF 20.-- bis CHF 50.--. Zudem besteht ein Anspruch auf eine Reiseentschädigung, die, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung stand, im Ersatz der Fahrkosten (Bahn- und Schiff 2. Klasse) und sonst in einer Kilometerentschädigung besteht, wie sie den Mitgliedern staatlicher Kommissionen ausgerichtet wird. Bei erheblicher zeitlicher Inanspruchnahme, bei ausserordentlichen Auslagen und bei Verdienstausfall kann eine besondere Zulage bewilligt werden (vgl. analog § 42 Verordnung über die Kosten in den Zivil- und Strafverfahren, SRL Nr. 265, bzw. § 3 Kostenverordnung für das Verwaltungsgericht und der seiner Aufsicht unterstelllten Instanzen, SRL Nr. 46).

4. Rechtliches Gehör

Der Anspruch einer betroffenen Person auf rechtliches Gehör stützt sich auf Art. 29 Abs. 2 BV, aber auch auf Art. 6 EMRK. Danach hat die angeschuldigte Person ein Recht auf einen Beitrag zur Wahrheitsfindung. Erste Voraussetzung dafür ist schon die Unterrichtung über die Anschuldigung in der Einleitung des Verfahrens (vgl. dazu LU StB Bd. 2a Weisungen StG § 219 Nr. 1 Ziff. 3).

Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt auch das Recht auf Akteneinsicht. In § 139 ist dazu ausgeführt, dass eine betroffene Person grundsätzlich das Recht hat, Akten einzusehen, die für die Entscheidfindung relevant sind. Der Umfang des Anspruchs auf Akteneinsicht kann vom jeweiligen Stand eines Strafverfahrens abhängen. So darf der Untersuchungszweck nicht durch die Offenlegung von Akten vereitelt werden.

Die Aktenedition erfolgt ausschliesslich an selbständige Rechtsanwältinnen und -anwälte in einer Anwaltskanzlei, die einer gesetzlich geregelten Aufsichtsbehörde unterstehen (vgl. Anwaltsgesetz, SRL Nr. 280, oder vergleichbare Bestimmungen anderer Kantone). Sie haben sich durch eine schriftliche Vollmacht als Parteivertreterin oder Parteivertreter auszuweisen. Die Beschränkungen für die Akteneinsicht (siehe oben) gelten auch für die Aktenedition.

Die angeschuldigte Person ist in jedem Stadium des Verfahrens berechtigt, Beweisanträge zu stellen, d.h. die Erhebung von ganz bestimmten Beweisen zu beantragen. Solche Beweise sind abzunehmen, soweit sie rechtserhebliche Tatsachen betreffen und tauglich erscheinen, solche Tatsachen auch zu beweisen. Wie gesehen ist die Einvernahme der angeschuldigten Person aber auf jeden Fall durchzuführen, wenn sie von dieser verlangt wird (§ 220 Abs. 1 StG, s. dazu oben Ziff. 2).

5. Besondere Untersuchungsmassnahmen bei schweren Steuerwiderhandlungen

Grundlage für die Anordnung besonderer Untersuchungsmassnahmen bei schweren Steuerwiderhandlungen ist § 220 Abs. 3 und 4 StG. Diese Regelung orientiert sich an Art. 190 - 195 DBG und der Verordnung über besondere Untersuchungsmassnahmen der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 31. August 1992 (SR 642.132).

5.1 Schwere Steuerwiderhandlung

Der Begriff der schweren Steuerwiderhandlung, welche erst zu besonderen Massnahmen veranlasst, ist in Übereinstimmung mit der Bundesregelung festzusetzen. Nach Art. 190 Abs. 2 DBG versteht man unter schweren Steuerwiderhandlungen insbesondere die fortgesetzte Hinterziehung grosser Steuerbeträge und die Steuervergehen. Auch der Umstand internationaler oder auch interkantonaler Verflechtung sowie die Komplexität der zu untersuchenden Vorgänge können Merkmale schwerer Steuerwiderhandlungen darstellen. Auch eine einzige Steuerhinterziehung kann aufgrund einer Würdigung der Gesamtumstände als schwere Steuerwiderhandlung qualifiziert werden. Steuerhinterziehungen müssen sich zudem auf grosse Steuerbeträge beziehen.

5.2 Ermächtigung

Liegt ein begründeter Verdacht auf eine schwere Steuerwiderhandlung vor, kann die Dienststelle Steuern des Kantons besondere Untersuchungsmassnahmen nur anordnen, wenn sie die Vorsteherin oder der Vorsteher des Finanzdepartementes ausdrücklich ermächtigt hat.

5.3 Untersuchungsmassnahmen

Die besonderen Massnahmen, welche gestützt auf § 220 Abs. 3 StG angeordnet werden können, sind die Schriftprobe, das Herausverlangen und Beschlagnahmen von Akten und Gegenständen sowie Hausdurchsuchungen. Dabei brauchen Akten und Gegenstände vor einer Hausdurchsuchung nicht herausverlangt zu werden. Wo Gefahr im Verzug liegt, kann ohne weiteres unmittelbar zu dieser geschritten werden. Für alle besonderen Untersuchungsmassnahmen kann die Dienststelle Steuern des Kantons die Polizei beiziehen.

Wesentlicher Unterschied zum Verfahren von Art. 190 - 195 DBG ist, dass im Luzerner Verfahren nach § 220 Abs. 3 StG das Bankgeheimnis nicht aufgehoben ist. Dies geht aus dem in § 220 Abs. 2 StG enthaltenen Hinweis auf das in § 148 Abs. 2 StG genannte gesetzlich geschützte Berufsgeheimnis hervor. Beschlagnahme und Hausdurchsuchung in der Wohnung einer steuerpflichtigen Person z.B. sind also möglich, nicht dagegen auf § 220 Abs. 3 StG gestützte Zwangsmassnahmen gegen deren Bank.

5.4 Rechtsmittel

§ 220 Abs. 4 StG sieht gegen die Beschlagnahme und die Hausdurchsuchung die Beschwerde beim Verwaltungsgericht innert 30 Tagen vor. Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach dem Steuergesetz und dem Verwaltungsrechtspflegegesetz (§ 128 StG mit Hinweis auf § 132 Abs. 2 StG, §§ 164 ff. StG, §§ 127 ff. VRG und §§ 148 ff. VRG). Damit Sinn und Zweck der Beschlagnahme und der Hausdurchsuchung nicht vereitelt werden, ist im Entscheid der Dienststelle Steuern des Kantons über deren Durchführung die aufschiebende Wirkung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde regelmässig auszuschliessen (§ 131 Abs. 2 VRG). Falls beim Verwaltungsgericht eine Beschwerde eingereicht wird, können die Ergebnisse der Beschlagnahme oder Hausdurchsuchung unter Siegel gelegt werden, und über deren Verwendbarkeit kann das Gericht nachträglich entscheiden.

 

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