01.01.2024

Verlustverrechnung und Sanierungen

1. Verlustverrechnung

1.1 Grundlagen

1.1.1 Periodizität und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
Das Prinzip der Periodizität hat im Steuerrecht einen hohen Stellenwert. Mit der Einkommenssteuer wird das Einkommen bzw. der Erfolg eines bestimmten Zeitabschnitts, i.d.R. eines Jahres, erfasst..

Beim Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit entspricht der Periodenerfolg dem Ergebnis der im betreffenden Steuerjahr abgeschlossenen Jahresrechnung. Naturgemäss unterliegen die Ergebnisse aus selbständiger Erwerbstätigkeit gewissen Schwankungen. Der Ausweis eines negativen Periodenerfolgs ist beim Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit immer wieder anzutreffen.

Entsprechend dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sollte der/die Selbständigerwerbende nur den wirklich erzielten Erfolg aus der Tätigkeit versteuern müssen. Dieser entspricht dem Totalgewinn, d.h. der Summe aller Ergebnisse während der Dauer der selbständigen Erwerbstätigkeit.

Mit dem Instrument der Verlustverrechnung wird das Prinzip der Periodizität durchbrochen. Innerhalb des gesetzlichen Verlustverrechnungszeitraums können Selbständigerwerbende nicht verrechnete Verluste aus selbständiger Erwerbstätigkeit auf die nachfolgenden Steuerperioden vortragen.

Allerdings wird das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch die Möglichkeit der Verlustverrechnung nur teilweise verwirklicht. Der Anspruch des Selbständigerwerbenden auf die Verrechnung der erlittenen Verluste bleibt in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt:

  • Das schweizerische Steuerrecht kennt keinen Verlustrücktrag.
  • Der Verlustverrechnungszeitraum ist auf 8 Jahre beschränkt.
  • Die Verlustverrechnung setzt eine selbständige Erwerbstätigkeit voraus.

In diesem Sinne bleibt das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dem Prinzip der Periodizität untergeordnet. Für die Selbständigerwerbenden hat der Gesetzgeber aber immerhin einen partiellen Einbruch in das Prinzip der Periodizität in Kauf genommen, um deren besonderen Situation bis zu einem gewissen Grade Rechnung zu tragen.

In anderen Bereichen des Einkommenssteuerrechts wird das Periodizitätsprinzip umgesetzt. So kann beispielsweise ein Negativeinkommen, welches aus einem hohen Unterhaltsabzug für Privatliegenschaften resultiert, nicht auf die nächste Steuerperiode vorgetragen werden.

Das AHV-Recht berücksichtigt bei der Berechnung des für die AHV-Beitragspflicht massgebenden Einkommens auch die dem jeweiligen Beitragsjahr unmittelbar vorausgegangenen verbuchten Geschäftsverluste (in Kraft seit 1.1.2008).

1.1.2 Beschränkung der Verlustverrechnung auf Selbständigerwerbende
Die Verlustverrechnung für natürliche Personen ist steuersystematisch der selbständigen Erwerbstätigkeit zugeordnet. Artikel 31 DBG steht unter dem 3. Abschnitt "Selbständige Erwerbstätigkeit". Artikel 10 Abs. 2 StHG ist mit "Selbständige Erwerbstätigkeit" betitelt. § 38 StG LU enthält eine analoge Regelung zur Verlustverrechnung. Die kantonale Verlustverrechnungsbestimmung schliesst unmittelbar an die §§ 34 bis 37 an, welche die Ermittlung des Reineinkommens bei selbständiger Erwerbstätigkeit regeln.

Diese Einordnung steht im Einklang mit der historischen Entwicklung der Verlustverrechnung. Die Verlustverrechnung war auch im überholten System der zweijährigen Veranlagung mit Vergangenheitsbemessung stets auf die Selbständigerwerbenden beschränkt. Weder mit der Einführung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) per 1. Januar 1995 noch mit dem Übergang zur einjährigen Veranlagung mit Gegenwartsbemessung für natürliche Personen per 1. Januar 2001 bezweckte der Gesetzgeber eine Änderung der für die Verlustverrechnung geltenden Grundsätze.

Damit vermögen weder die neue Einordnung der Verlustverrechnungsbestimmungen in den Gesetzen, noch der Wegfall der altrechtlichen Zwischenveranlagungen den Gehalt der Verlustverrechnungsbestimmungen zu erweitern. Nach wie vor können Verlustvorträge nur geltend gemacht werden, solange eine selbständige Erwerbstätigkeit andauert. Wird die selbständige Erwerbstätigkeit auf Dauer eingestellt, ist ein Verlustvortrag auf eine folgende Steuerperiode ausgeschlossen.

Eine Verrechnung von Verlusten aus selbständiger Erwerbstätigkeit in einer der Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit folgenden Steuerperiode könnte, da eine ausdrückliche Gesetzesgrundlage fehlt, nur mit dem Postulat der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gerechtfertigt werden. Wie jedoch in Ziffer 1.1.1 vorstehend dargelegt, hat sich das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Bereich des Verlustvortrages dem vorrangigen Prinzip der Periodizität unterzuordnen.

Der rechtfertigende Sinngehalt der Verlustverrechnungsnorm liegt darin, dem/der Selbständigerwerbenden im Rahmen der Verlustverrechnungsperiode den Ausgleich von Gewinn- und Verlustschwankungen zu ermöglichen, um dergestalt die zufällige Erfassung von einzelnen Jahresergebnissen zu vermeiden (Reich/Züger, Kommentar zu Art. 211 N10, in: Zweifel/Athanas, Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, I/2b, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuern (DBG) Art. 83 - 222). Den Selbständigerwerbenden wird mit den Bestimmungen zur Verlustverrechnung ein Instrument zur Verfügung gestellt, um Zufälligkeiten in der Besteuerung zu vermeiden. Die Verlustverrechnungsbestimmungen begründen hingegen keinen absoluten Anspruch auf Verrechnung aller erlittenen Verluste aus selbständiger Erwerbstätigkeit.

1.1.3 Subjektive Verknüpfung der Verlustverrechnung
Verluste aus selbständiger Erwerbstätigkeit sind subjektiv mit der die Tätigkeit ausübenden Person verknüpft. Ein allfälliger Verlustvortrag geht unter, wenn der/die Unternehmer/Unternehmerin die selbständige Erwerbstätigkeit dauernd aufgibt (vgl. Abschnitt 1.2.2). Ebenso geht der Verlustvortrag mit dem Tod der selbständigerwerbenden Person unter.

Der mitarbeitende Ehegatte hat keine Unternehmerstellung, weshalb ein Verlustvortrag nicht auf diesen übergehen kann. Führt jedoch der überlebende Ehegatte das Geschäft des/der verstorbenen Selbständigerwerbenden weiter, so tritt dieser in die Unternehmerstellung ein. Wegen des Grundsatzes der Einheit der Familie geht der Verlustvortrag in diesem Fall an den überlebenden Ehegatten über.

Hingegen ist ein Übertrag eines noch nicht verrechneten Verlustes an die Erben ausgeschlossen. Dies gilt auch für den Fall, dass ein Nachkomme den Betrieb übernimmt. Die Steuersukzession beim Tod beinhaltet keine Übertragung der Steuerfaktoren des Erblassers auf die Erben.

Solange die ungetrennte Ehe andauert, werden Ehegatten steuerlich als Einheit erfasst. Der Verlustvortrag bleibt dabei jedoch subjektiv verknüpft. Bei Trennung bzw. Scheidung folgt der noch nicht verrechnete Verlustvortrag deshalb demjenigen Ehegatten, welcher die selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat.

1.2 Anwendung der Verlustverrechnung im allgemeinen

1.2.1 Verlustverrechnung innerhalb der Bemessungsperiode
Die in der Bemessungsperiode erlittenen Verluste aus selbständiger Tätigkeit können uneingeschränkt mit den übrigen Nettoeinkünften des gleichen Bemessungsjahres verrechnet werden.

Beispiel 1

Position  CHF
Verlust aus selbständiger Erwerbstätigkeit (Geschäftsjahr 1.1. - 31.12.2004)  -40'000
Vermögenserträge netto (Kalenderjahr 2004)  70'000
Steuerbares Einkommen 2004  30'000

Der Verlust muss mit dem übrigen Einkommen verrechnet werden, soweit solches vorhanden ist. Die Steuerpflichtigen haben kein Wahlrecht. Sie können den Verlust nicht in einer späteren Steuerperiode geltend machen. Verluste sind immer im frühest möglichen Zeitpunkt zu verrechnen.

Innerhalb der gleichen Steuerperiode können die Verluste aus selbständiger Erwerbstätigkeit selbst dann mit dem übrigen Einkommen verrechnet werden, wenn im Verlaufe dieser Steuerperiode die selbständige Erwerbstätigkeit aufgegeben wird.

Beispiel 2

Position  CHF
Verlust aus selbständiger Erwerbstätigkeit (letztes Geschäftsjahr 1.1. - 30.6.2004)   -50'000
Unselbständiger Lohneinkommen netto (Anstellungsverhältnis 1.7. - 31.12.2004)  90'000
Steuerbares Einkommen 2004   40'000

Innerhalb der gleichen Steuerperiode können auch Negativeinkünfte aus anderen Bereichen mit positiven Einkünften verrechnet werden.

Beispiel 3

Position  CHF
Gewinn aus selbständiger Erwerbstätigkeit (letztes Geschäftsjahr 1.1. - 31.12.2004) 120'000 
Vermögenserträge netto (Kalenderjahr 2004)  -30'000
Steuerbares Einkommen 2004  90'000

1.2.2 Beschränkung des Verlustvortrags auf Verluste aus selbständiger Erwerbstätigkeit
Verluste sind nur soweit über die Bemessungsperiode hinaus verrechenbar, als sie auf eine selbständige Erwerbstätigkeit zurückzuführen sind.

Position  Beispiel 4
CHF
Beispiel 5
CHF
Verlust aus selbständiger Erwerbstätigkeit   -50'000 -50'000
Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit  20'000 20'000
Vermögensertrag netto  -30'000 10'000
Steuerbares Einkommen 2004 -60'000 -20'000

In Beispiel 4 können lediglich CHF -50'000 Verlust aus selbständiger Erwerbstätigkeit auf die Steuerperiode 2005 vorgetragen werden. Der negative Vermögensertrag von CHF -30'000 bleibt steuerlich nur soweit berücksichtigt, wie dieser innerhalb der Bemessungsperiode verrechnet werden kann. Vorliegend kann ein Anteil von CHF
20'000 mit dem Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit verrechnet werden. Die verbleibenden CHF -10'000 bleiben steuerlich unberücksichtigt.

Aus Beispiel 5 ist ersichtlich, dass Verluste aus selbständiger Erwerbstätigkeit nur soweit auf die nächste Steuerperiode vorgetragen werden können, wie diese nicht mit übrigen Einkünften verrechnet werden konnten. Der Verlustvortrag auf die Steuerperiode 2005 beträgt somit CHF -20'000.

Für die Verlustverrechnung in der Folgeperiode ist das Vorliegen einer selbständigen Erwerbstätigkeit Voraussetzung. Der vorgetragene Verlust kann wiederum mit den gesamten Nettoeinkünften verrechnet werden.

Beispiel 6

Position  CHF
Gewinn aus selbständiger Erwerbstätigkeit  30'000
Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit  20'000
Vermögensertrag netto  10'000
Verlustvortrag aus dem Vorjahr -50'000
Steuerbares Einkommen 2005  10'000

1.2.3 Zeitliche Beschränkung des Verlustvortrages
Die Verlustvortragsperiode beträgt 7 Jahre. Zusammen mit dem Bemessungsjahr ergibt sich damit ein Verlustverrechnungszeitraum von insgesamt 8 Jahren. Kann ein Verlustvortrag innerhalb dieses Zeitraums nicht vollständig mit Einkünften verrechnet werden, so verfällt der Restbetrag.

Es werden die in diesen 8 Steuerjahren in die Bemessung einbezogenen Geschäftsjahre berücksichtigt. Die gesamte Dauer der Geschäftsjahre kann dabei mehr oder weniger als 8 Jahre umfassen. Es werden keine pro-rata-temporis-Berechnungen vorgenommen.

Beispiel 7

Position  CHF
Nettoeinkommen 2009   80'000
Restlicher Verlust aus dem 1. Geschäftsjahr, umfassend den Zeitraum 1.10.2001 - 31.12.2002  -20'000
Steuerbares Einkommen 2009  60'000

Das Ergebnis des ersten Geschäftsjahres (15 Monate) wird gesamthaft in die Bemessung der Steuerperiode 2002 einbezogen. In diesem Beispiel ergibt sich damit ein erweiterter Verlustverrechnungszeitraum von 8 Jahren und 3 Monaten.

Es ist stets zuerst der älteste bis zu diesem Zeitpunkt nicht berücksichtigte, aber noch in die Verlustverrechnungsperiode fallende Verlust zur Verrechnung zu bringen. Nach vollständiger Verrechnung dieses Verlustes wird ebenso mit dem Verlust des folgenden Jahres verfahren.

Reicht das steuerbare Einkommen der Bemessungsperiode nicht aus, um sämtliche noch nicht verrechneten Verluste aus den vorangegangenen 7 Bemessungsperioden abzudecken, werden die verbleibenden Verlustvorträge jenen Bemessungsperioden zugeordnet, in denen sie entstanden sind. Sie können in den folgenden Bemessungsperioden noch verrechnet werden, sofern sie nicht aus der Verlustverrechnungsperiode fallen.

Beispiel 8

Position  CHF
Verlust aus selbständiger Erwerbstätigkeit 2001   -240'000
Einkommen 2002 - 2008  200'000
Nettoeinkommen 2001  - 2008  -40'000

Der noch nicht verrechnete Verlust von CHF -40'000 verfällt, da die siebenjährige Verlustvortragsperiode im Jahre 2008 endet. Für die Steuerperiode 2009 besteht kein verrechenbarer Verlustvortrag mehr.

Der Verlustvortrag wird von Amtes wegen berücksichtigt, soweit dieser aus den Vorperiodenakten ersichtlich ist. Die Steuerpflichtigen haben die Pflicht, die Verlustüberschüsse bei erster Gelegenheit geltend zu machen. Dies gilt insbesondere für Fälle, bei denen die Veranlagungsbehörde nicht auf Grund der Vorakten Kenntnis vom Verlustvortrag hat (z.B. beim Wiederaufleben eines Verlustvortrages gemäss Abschnitt 1.3.8 oder bei Zuzug aus einem anderen Kanton gemäss Abschnitt 1.3.9). Hätte ein Verlustvortrag in einer früheren Steuerperiode ganz oder teilweise zur Verrechnung gebracht werden können, ist deshalb eine spätere Verlustverrechnung im entsprechenden Umfang ausgeschlossen. Die unterbliebene Verlustverrechnung kann in einer nachfolgenden Steuerperiode nicht nachgeholt werden.

1.2.4 Ermittlung des Verlustvortrages im Detail
Selbständigerwerbende können Verlustüberschüsse aus den 7 vorangegangenen Geschäftsjahren abziehen, soweit diese bei der Berechnung des für die Vorjahre massgebenden steuerbaren Einkommens nicht berücksichtigt werden konnten. Andere Minus-Posten, die mit der Geschäftstätigkeit keinen direkten Zusammenhang haben, fallen für den Verlustvortrag ausser Betracht. Bei der Verlustverrechnung ist vom Einkommen, vor Anrechnung der Sozialabzüge auszugehen.

Position  Beispiel 9
CHF
Beispiel 10
CHF
Beispiel 11
CHF
Beispiel 12
CHF
Nettoeinkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit des Steuerjahres   105'000 -10'000 25'000 -10'000
Verlustvortrag aus Vorjahren Ziff. 286 -60'000 -65'000 -30'000 -60'000
Nettoeinkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit  0 0 10'000 10'000
Übrige Abzüge (ohne Sozialabzüge)  -5'000 -10'000 -5'000 -10'000
Nettovermögensertrag  0 10'000 0 -40'000
Reineinkommen 40'000 -75'000 0 -110'000
Aufrechnung verrechenbare Geschäftsverluste Ziff. 290 60'000 65'000 30'000 60'000
massgebendes Einkommen vor Verlustrechnung  100'000 -10'000 30'000 -50'000
Anrechnung verrechenbare Geschäftsverluste Ziff. 290 -60'000 -65'000 -30'000 -60'000
massgebendes Einkommen nach Verlustrechnung  40'000 -75'000 0 -110'000
Sozialabzüge Ziff. 350 - 354 -10'000 0 0 0
Steuerbares Einkommen Ziff. 380  30'000 0 0 0
Verlustvortrag auf Folgejahr  0 -75'000 0 -70'000

Im Beispiel 12 erreicht der Verlust aus der selbständigen Erwerbstätigkeit zuzüglich dem Verlustvortrag aus Vorjahren (total CHF -70'000) nicht die Höhe des massgebenden Nettoeinkommens nach Verlustverrechnung (CHF -110'000). In diesem Fall kann nur der (niedrigere) Verlust aus der selbständigen Erwerbstätigkeit auf die Folgeperiode übertragen werden. Das aus dem übrigen Einkommen resultierende Negativeinkommen berechtigt nicht zum Verlustvortrag.

1.2.5 Verfahrensrechtliche Aspekte
Resultiert auf Grund von Verlusten kein steuerbares Einkommen, wird mit der entsprechenden Veranlagungsverfügung noch nicht rechtsverbindlich über die Höhe der zur Verrechnung zugelassenen Verlustüberschüsse entschieden, denn die materielle Rechtskraft des Veranlagungsentscheids beschränkt sich auf das Dispositiv, d.h. auf die Feststellung, dass das steuerbare Einkommen null beträgt. Die Verlustverrechnung wird erst mit jener Veranlagungsverfügung definitiv festgelegt, welche erstmals wieder ein steuerbares Einkommen aufweist.

Liegen jedoch besondere Umstände vor (z.B. Sanierung), prüft die Veranlagungsbehörde den geltend gemachten Verlustvortrag, legt diesen fest und teilt ihn dem/der Steuerpflichtigen mit. Eine formelle Eröffnung des von der Steuerbehörde anerkannten Verlustvortrages erfolgt jedoch nicht, weshalb über allenfalls unterschiedliche Auffassungen betreffend die Höhe des verrechenbaren Verlustvortrages nicht im Rechtsmittelverfahren entschieden werden kann.

Die luzernischen Veranlagungsbehörden eröffnen in aller Regel die Veranlagungen einschliesslich eines detaillierten Veranlagungsprotokolls. Daraus ist der allfällige Verlustüberschuss indirekt ersichtlich. Hat die Veranlagungsbehörde betreffend dem Verlustüberschuss Zweifel, so kann sie einen entsprechenden Vorbehalt auf der Veranlagungsverfügung anbringen. Damit kann sie signalisieren, dass sie die Prüfung des geltend gemachten Verlustüberschusses aufschiebt, bis sich dieser steuerlich tatsächlich auswirkt. Vorbehalten bleiben jedoch die vorstehend erläuterten besonderen Umstände, bei deren Vorliegen der Verlustüberschuss vorzeitig verbindlich geprüft, festgelegt und im Sinne einer Auskunft mitgeteilt wird.

1.2.6 Buchführungs- bzw. Aufzeichnungspflicht
Geschäftsverluste können steuerlich nur anerkannt werden, wenn sie "verbucht" sind, was voraussetzt, dass die buchführungs- bzw. aufzeichnungspflichtigen Steuerpflichtigen Bücher (kaufmännische Buchhaltung) bzw. Aufzeichnungen (Aufstellungen über Aktiven und Passiven, Einnahmen und Ausgaben sowie Privatentnahmen und Privateinlagen) führen (BGE vom 13. Dezember 2003, StR Nr.2/2004, Seite 102 ff).

1.3 Spezielle Verlustverrechnungsprobleme

1.3.1 Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit
Voraussetzung für die Verlustverrechnung ist das Vorliegen einer selbständigen Erwerbstätigkeit. Merkmale der selbständigen Erwerbstätigkeit sind:

  • frei gewählte Organisation
  • nach Aussen sichtbares Teilnehmen am Wirtschaftsverkehr
  • eigenes Risiko
  • kombinierter Einsatz von Kapital und Arbeit
  • Gewinnabsicht
  • Kontinuität der wirtschaftlichen Aktivität

Verluste in der Anfangsphase einer Unternehmung sind nicht aussergewöhnlich. Sofern tatsächlich eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, sind Verluste in der Aufbauphase einer Unternehmung steuerlich zu anerkennen. Verluste aus Hobby bzw. Liebhaberei hingegen berechtigen nicht zur Verlustverrechnung (vgl. LU StB Bd. 2 Weisungen StG § 25 Nr. 1 Ziff. 1.2).

1.3.2 Umgestaltung der unternehmerischen Tätigkeit
Nicht verrechnete Verluste können nur dann in die Folgeperiode vorgetragen werden, wenn weiterhin eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (vgl. Abschnitt 1.1.2).

An die Art der selbständigen Erwerbstätigkeit werden keine hohen Anforderungen gestellt. Insbesondere ist es für die Verlustverrechnung nicht erforderlich, dass das den Verlust verursachende Unternehmen im Zeitpunkt der Verlustverrechnung noch in der gleichen Form betrieben wird.

Das unternehmerische Handeln ist je länger je mehr einem steten Wandel unterworfen. Der/die Unternehmer/Unternehmerin muss ihre/seine Geschäftstätigkeiten laufend den Bedürfnissen des Marktes anpassen. Dabei müssen Unternehmen bzw. Unternehmenstätigkeiten umgestaltet werden. Selbst die Aufgabe eines Betriebs unter gleichzeitiger oder zeitverschobener Wiederaufnahme eines anderen Betriebs ist häufig anzutreffen.

Der/Die anpassungsfähige Unternehmer/in wird steuerlich nicht benachteiligt. Die Verlustverrechnung bleibt daher ungeachtet der vorgenommenen Umgestaltung der unternehmerischen Tätigkeit erhalten, solange eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.

Ein zeitlicher Unterbruch in der selbständigen Erwerbstätigkeit führt nicht zum Wegfall des Verlustvortrages.

Beispiel 13

Position  CHF
Verlust aus selbständiger Erwerbstätigkeit (Aufgabe Restaurant per 30.6.2003)   -80'000
unselbständiges Einkommen  (Aufnahme per 1.7.2003)  36'000
Steuerbares Einkommen 2003  -44'000
unselbständiges Einkommen (Aufgabe per 31.3.2004)  24'000
Gewinn aus selbständiger Erwerbstätigkeit (Eröffnung Sportgeschäft per 1.4.2004)  12'000
Verlustvortrag aus 2003  -44'000
Steuerbares Einkommen 2004  -8'000*
* kann auf Steuerperiode 2005 vorgetragen werden   

Die Verlustverrechnung verfällt hingegen mit der Veranlagung der ersten vollen Steuerperiode ohne selbständiges Erwerbseinkommen. Vorbehalten bleibt die Wiederaufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit in einer späteren Steuerperiode (vgl. Abschnitt 1.3.8).

Beispiel 14

Position  CHF
Verlust aus selbständiger Erwerbstätigkeit (Aufgabe Restaurant per 30.6.2003)   -80'000
unselbständiges Einkommen (Aufnahme per 1.7.2003)  36'000
Steuerbares Einkommen 2003  -44'000
unselbständiges Einkommen  72'000
Steuerbares Einkommen 2004  72'000

Bei Umwandlung einer Einzelfirma in eine Kapitalgesellschaft geht der bis zum Umwandlungszeitpunkt noch nicht verrechnete Verlustvortrag nicht verloren. Der nun unselbständig erwerbende Inhaber der Beteiligungspapiere übt zwar keine selbständige Erwerbstätigkeit mehr aus, was den Verlustvortrag bei ihm persönlich ausschliesst. Der Verlust kann jedoch auf die Gesellschaft übertragen und dort verrechnet werden (Eidg. Steuerverwaltung, Kreisschreiben Nr. 5 vom 1. Juni 2004, Ziffer 3.2.3.3).

Umgekehrt können bei der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft in eine Personenunternehmung die steuerlich noch unberücksichtigten Vorjahresverluste der übertragenden juristischen Personen bei der Festsetzung des steuerbaren Einkommens der natürlichen Person(en) in Abzug gebracht werden (Eidg. Steuerverwaltung, Kreisschreiben Nr. 5 vom 1. Juni 2004, Ziffer 4.2.6.2.2).

1.3.3 Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit
Die definitive Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit ist auf den Zeitpunkt der Beendigung der Liquidation der Unternehmung anzunehmen. Dieser Zeitpunkt fällt grundsätzlich mit der Einstellung der Betriebsaktivitäten zusammen. Auf diesen Zeitpunkt wird der Betrieb in der Regel veräussert, vermietet oder verpachtet.

Wird die Betriebstätigkeit kontinuierlich abgebaut und damit die Liquidation der Unternehmung über Jahre hingezogen, so ist die Aufgabe des selbständigen Erwerbs auf jenen Zeitpunkt anzunehmen, in welchem die Tätigkeit eingestellt wird.

Schliesst an die Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit eine Liquidationsphase mit effektiven Liquidationshandlungen an (z.B. Inkasso von Forderungen, Verwertung des Warenlagers etc.), so kann der Zeitpunkt der Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit entsprechend hinausgeschoben werden.

1.3.4 Konkurs, Nachlass, Sanierungsleistungen
Voraussetzung für die Verrechnung von Verlusten bzw. für den Vortrag von Verlustüberschüssen ist, dass der/die Steuerpflichtige die Verluste auch tatsächlich selbst getragen hat und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dadurch geschmälert wurde. Dies ist beispielsweise nicht der Fall bei einem Konkurs, bei dem die Gläubiger zu Schaden gekommen sind. Der verrechenbare Verlust wird in einem solchen Fall entsprechend reduziert.

Analoges gilt für gerichtliche oder aussergerichtliche Nachlassverfahren. Auch die im Rahmen von Sanierungen geleisteten Forderungsverzichte Dritter werden mit dem Verlustüberschuss verrechnet.

Beispiel 15

Position CHF
Verlust aus selbständiger Erwerbstätigkeit   -180'000
Forderungsverzichte der Gläubiger im Rahmen eines Nachlassertrags mit Prozentvergleich 120'000
Steuerbares Einkommen 2003   -60'000*
* kann auf Steuerperiode 2004 vorgetragen werden, sofern die selbständige Erwerbstätigkeit weitergeführt wird 

1.3.5 Ermessensveranlagungen
Bei der Vornahme von Ermessensveranlagungen ist ein allenfalls bestehender steuerlicher Verlustvortrag von Amtes wegen zu berücksichtigen.

Ergibt eine Ermessensveranlagung nach Verrechnung allfälliger bekannter oder geschätzter Verlustvorträge ein positives Einkommen, so gelten alle Verlustvorträge als verrechnet. In einer späteren Steuerperiode kann ein allenfalls ungenügend berücksichtigter Verlustvortrag nicht mehr nachgeholt werden.

1.3.6 Aufgabe der selbständigen Haupterwerbstätigkeit und gleichzeitige Aufnahme eines selbständigen Nebenerwerbs
Wird an Stelle des bisherigen selbständigen Haupterwerbs ein selbständiger Nebenerwerb aufgenommen, so gilt dies als Weiterführung der selbständigen Erwerbstätigkeit und berechtigt damit zum Vortrag der aus dem selbständigen Haupterwerb stammenden, noch nicht verrechneten Verlustüberschüsse. Gleiches gilt, wenn der Umfang des bisherigen selbständigen Haupterwerbs stark reduziert wird. Die Verrechnung von Verlustüberschüssen bleibt gewährleistet, solange eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.

Auch der Nebenerwerb muss die Kriterien für das Vorliegen einer selbständigen Erwerbstätigkeit erfüllen (vgl. Abschnitt 1.3.1).

1.3.7 Nachträglicher Aufwand aus der selbständigen Erwerbstätigkeit
In der Praxis kommt es vor, dass in einer auf das Jahr der Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit folgenden Steuerperiode Kosten anfallen, welche auf die seinerzeitige selbständige Erwerbstätigkeit zurückzuführen sind (z.B. Nachzahlung von AHV-Beiträgen).

Ein Verlustüberschuss kann nicht in die Folgeperiode übertragen werden, wenn keine selbständige Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt wird. Gleiches gilt für die periodenfremde Geltendmachung von Aufwendungen aus selbständiger Erwerbstätigkeit. Wird in der Bemessungsperiode keine selbständige Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt, so ist der Abzug ausgeschlossen.

Der richtigen zeitlichen Abgrenzung der Aufwendungen per Liquidationsdatum kommt daher grosse Bedeutung zu. Dies gilt auch für jene Steuerpflichtigen, welche keine kaufmännische Buchhaltung führen (Ist-Methode). Solange die selbständige Erwerbstätigkeit andauert (vgl. Abschnitt 1.3.6) bzw. die Liquidationsphase nicht abgeschlossen ist (vgl. Abschnitt 1.3.3), können derartige Aufwendungen hingegen steuerlich berücksichtigt werden.

1.3.8 Wiederaufleben des Verlustvortrages
Bei Steuerpflichtigen, welche zu einem späteren Zeitpunkt erneut eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen, lebt ein aus früheren Jahren bestehender Verlustvortrag wieder auf, soweit dieser noch nicht verfallen ist.

Beispiel 16

Position  CHF
Verlust aus selbständiger Erwerbstätigkeit  (Aufgabe Restaurant per 30.6.2003)   -80'000
unselbständiges Einkommen (Aufnahme per 1.7.2003)  36'000
Steuerbares Einkommen 2003  -44'000
unselbständiges Einkommen  72'000
Steuerbares Einkommen 2004  72'000
unselbständiges Einkommen  (Aufgabe per 30.9.2005)  54'000
Verlust auf selbständiger Erwerbstätigkeit (Eröffnung Sportgeschäft per 1.10.2005)  -20'000
Verlustvortrag aus 2003  -44'000
Steuerbares Einkommen 2005  -10'000

Verlustvortrag 2003 von CHF -44'000 lebt infolge erneuter Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Jahr 2005 wieder auf; Verlustüberschuss von CHF -10'000 kann auf das Jahr 2006 vorgetragen werden.

Der Verlustvortrag ist subjektiv verknüpft. Er lebt deshalb bei in ungetrennter lebenden Ehegatten nur dann wieder auf, wenn das Sportgeschäft vom gleichen Ehepartner betrieben wird, welcher auch den Verlust aus dem Restaurant erlitten hat.

1.3.9 Verlustverrechnung bei Zuzug aus einem anderen Kanton
Der Abzug der Verluste aus sieben der Steuerperiode vorangegangenen Geschäftsjahre gilt auch bei der Verlegung des steuerrechtlichen Wohnsitzes oder des Geschäftsortes innerhalb der Schweiz. Der Zuzugskanton ist selbstverständlich berechtigt Höhe und Bestand des geltend gemachten Verlustvortrages im Zeitpunkt der Verrechnung zu prüfen.

1.3.10 Gesamtverlustverrechnungsmethode im interkantonalen Verhältnis
Für die interkantonale Steuerausscheidung sind Vorjahresverluste von Betriebsstätten ab dem 1. Januar 2001 nach der Gesamtverlustverrechnungsmethode auszuscheiden (Schweizerische Steuerkonferenz, Kreisschreiben Nr. 24 vom 17. Dezember 2003).

Bei der Gesamtverlustverrechnung wird der verrechenbare Gesamtverlust aus früheren Perioden vom Gesamtgewinn in Abzug gebracht, und erst der Restbetrag wird nach den zuvor definierten Quoten den einzelnen Kantonen zur Besteuerung zugewiesen. Die Gesamtverlustverrechnungsmethode löst die früher angewandte Teilverlustverrechnungsmethode ab. Aufgrund der Gesamtverlustverrechnungsmethode in Verbindung mit dem Kreisschreiben Nr. 27 der Schweizerischen Steuerkonferenz vom 15. März 2007 über die Vermeidung von Ausscheidungsverlusten ist somit die Verlustverrechnung im interkantonalen Verhältnis weitgehend gewährleistet.

2. Sanierung

Vgl. KS EStV Nr. 32 vom 23.12.2010 betreffend Sanierung von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften.