1. Allgemeines zur Patentbox nach § 72a StG und zum zusätzlichen Abzug von Forschungs- und Entwicklungsaufwand nach § 72f StG
Die Bestimmung von § 72a StG entspricht dem Wortlaut von Art. 24a StHG. Sie definiert abschliessend die Rechte, welche unter die reduzierte Patentboxbesteuerung fallen. Die Ausgestaltung der Patentboxbesteuerung orientiert sich an den zurzeit geltenden internationalen Standards. Das bedeutet, dass namentlich nicht patentgeschützte Erfindungen von KMU (u.a. Marken, Designs, Betriebsgeheimnisse) sowie urheberrechtlich geschützte Software nicht für die Patentbox qualifizieren (Software als solche kann in der Schweiz nicht patentiert werden).
Die Patentbox bietet somit die Möglichkeit, die Gewinne aus den qualifizierten Immaterialgüterrechten einer ermässigten Besteuerung zuzuführen. Dieses Privileg steht sowohl juristischen Personen als auch den Personengesellschaften und Selbständigerwerbenden zu. Während die Patentboxbesteuerung gemäss harmonisierungsrechtlicher Vorschrift per 1.1.2020 zwingend in die kantonale Gesetzgebung aufzunehmen ist, bleibt die diesbezügliche prozentuale Ermässigung der Gewinnbesteuerung den Kantonen überlassen (vgl. § 72b StG).
Per 1.1.2025 wurde in § 72f StG zudem die Grundlage für einen zusätzlichen Abzug von Forschungs- und Entwicklungsaufwand eingeführt, die auf der harmonisierungsrechtlichen Grundlage in Art. 25a StHG basiert.
Der Bund kennt weder eine Patentboxbesteuerung noch einen zusätzlichen Abzug für Forschungs- und Entwicklungsaufwand.
2. Besteuerung der Patentbox nach § 72b StG
Der Reingewinn aus Patenten und vergleichbaren Rechten wird auf Antrag im Verhältnis des qualifizierenden Forschungs- und Entwicklungsaufwandes zum gesamten Forschungs- und Entwicklungsaufwand pro Patent oder vergleichbares Recht (Nexusquotient) mit einer Ermässigung von 90% in die Berechnung des steuerbaren Reingewinns einbezogen (§ 72b Abs. 1 StG).
Der Reingewinn aus Patenten und vergleichbaren Rechten, die in Produkten enthalten sind, ermittelt sich, indem der Reingewinn aus diesen Produkten jeweils um 6% der diesen Produkten zugewiesenen Kosten sowie um das Markenentgelt vermindert wird (§ 72b Abs. 2 StG).
Bei der erstmaligen Anwendung der Patentboxbesteuerung ist der in der laufenden und den 10 vorangegangenen Steuerperioden berücksichtigte Forschungs- und Entwicklungsaufwand im Grundsatz vollumfänglich zum steuerbaren Reingewinn hinzuzurechnen. Nicht direkt den Patenten, vergleichbaren Rechten oder Produkten zurechenbarer Forschungs- und Entwicklungsaufwand, insbesondere Aufwand für die Grundlagenforschung, wird anteilsmässig verteilt (Art. 6 Verordnung über die ermässigte Besteuerung von Gewinnen aus Patenten und vergleichbaren Rechten; SR 642.142.1). Im Umfang des hinzugerechneten Betrages ist eine versteuerte stille Reserve zu bilden.
Damit zufolge dieser einmaligen Aufrechnung keine gravierenden Steuerbelastungen resultieren, sieht Art. 24b Abs. 3 StHG eine diesbezügliche Ermässigung vor. Der Kanton Luzern wird somit die für die Patentbox qualifizierenden Erträge so lange ordentlich besteuern, bis der Betrag der wieder eingebrachten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen überschritten wird (indirekte Verrechnung). Falls der Boxengewinn der ersten 5 Jahre nicht den gesamten wieder eingebrachten Aufwendungen entspricht, muss die verbleibende Differenz letztlich im 5. Jahr vollumfänglich dem steuerbaren Gewinn zugerechnet werden.
Beim erstmaligen Antrag um die ermässigte Besteuerung sowie für die laufende Boxenbesteuerung hat die steuerpflichtige Person jeweils verschiedene Dokumentationspflichten nach Art. 7 bis 9 Verordnung über die ermässigte Besteuerung von Gewinnen aus Patenten und vergleichbaren Rechten zu erfüllen.
Weitere Ausführungen über die Ermittlung des ermässigten steuerbaren Reingewinns und die Berechnung des Nexusquotienten pro Patent, Produkt oder Produktegruppe und Steuerperiode finden sich teilweise in der Verordnung über die ermässigte Besteuerung von Gewinnen aus Patenten und vergleichbaren Rechten (Art. 2-5).
3. Zusätzlicher Abzug von Forschungs- und Entwicklungsaufwand nach § 72f StG
Nach § 72f Abs. 1 StG wird Forschungs- und Entwicklungsaufwand, welcher der steuerpflichtigen Person direkt oder durch Dritte im Inland indirekt entstanden ist, auf Antrag um höchstens 50 Prozent über den geschäftsmässig begründeten Forschungs- und Entwicklungsaufwand hinaus zum Abzug zugelassen. Der Regierungsrat legt den Prozentsatz durch Verordnung fest. Derzeit beträgt der Prozentsatz 0% (kein zusätzlicher Abzug von Forschungs- und Entwicklungsaufwand).
Für die Definition der qualifizierenden Forschung- und Entwicklungstätigkeit verweist § 72f Abs. 2 StG auf Art. 2 des Bundesgesetzes über die Förderung der Forschung und Innovation vom 14. Dezember 2012 (FIFG). Diese Definition umfasst:
- wissenschaftliche Forschung (Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Forschung), wobei folgende Kriterien kumulativ zu erfüllen sind:
- Gewinnung von neuen Erkenntnissen (neuartig)
- Auf originären, nicht offensichtlichen Konzepten und Hypothesen beruhend (schöpferisch)
- Ungewissheit in Bezug auf das Endergebnis (ungewiss)
- Einem Plan folgend und budgetiert (systematisch)
- Zu Ergebnissen führend, die reproduzierbar sind (übertragbar und/oder reproduzierbar)
- wissenschaftsbasierte Innovation
Als massgeblicher Forschungs- und Entwicklungsaufwand gilt dabei nach § 72f Abs. 3 StG:
- der direkt zurechenbare Personalaufwand für Forschung und Entwicklung, zuzüglich eines Zuschlags von 35% dieses Personalaufwands (höchstens aber bis zum gesamten Aufwand der steuerpflichtigen Person)
- 80% des Aufwands für durch Dritte in Rechnung gestellte Forschung und Entwicklung
Sofern der Auftraggeber der Forschung und Entwicklung (Auftragserteilung) abzugsberechtigt ist, steht dem Auftragnehmer (Auftragsausführung) nach § 72f Abs. 4 StG dafür kein Abzug zu.
4. Entlastungsbegrenzung nach § 72c StG
Die steuerliche Ermässigung der Patentboxerträge nach § 72b Abs. 1 und 2 StG sowie § 72f StG darf nicht höher sein als 70% des steuerbaren Gewinns vor Verlustrechnung, unter Ausklammerung des Nettobeteiligungsertrags nach den §§ 82 und 83 StG und vor Abzug der vorgenannten Ermässigungen. Für diese Entlastungsbegrenzung ebenfalls zu berücksichtigen ist dabei die Abschreibung eines altrechtlichen Step-up nach § 259b Abs. 3 StG. Daraus folgt, dass jeweils 30% des steuerbaren Reingewinns vor Anwendung dieser Sonderregelungen steuerbar bleiben muss.
5. Aufdeckung stiller Reserven nach § 72d
Die Bestimmung von § 72d StG (übereinstimmend mit Art. 61a DBG und Art. 24c StHG) normiert eine teilweise bereits praktizierte Veranlagungspraxis. Demnach können die Unternehmen bei Neueintritt in die Steuerpflicht (z.B. bei Sitzverlegung vom Ausland in die Schweiz oder bei Wegfall einer bisherigen Steuerbefreiung nach § 70 StG) die stillen Reserven auf ihren Vermögenswerten und dem selbst geschaffenen Mehrwert (Goodwill) in der Steuerbilanz aufdecken, soweit diese unter der ausländischen Steuerhoheit oder im Rahmen der Steuerbefreiung entstanden sind. Durch diese Aufdeckung entstehen dem Unternehmen keine Gewinnsteuerfolgen.
Die stillen Reserven auf den Beteiligungen nach § 82 Abs. 1a und b StG dürfen nicht aufgedeckt werden, da diese bei der späteren Realisierung ohnehin im Rahmen des Beteiligungsabzuges freigestellt werden. Bei der Berechnung des Unternehmenswertes aufgrund eines Ertragswertes sind somit entsprechende Beteiligungserträge zu eliminieren.
Die aufgedeckten stillen Reserven, welche einzelnen Aktiven zugeordnet werden können, sind bei der steuerlichen Gewinnermittlung entsprechend der massgebenden Abschreibungssätze steuerlich abzuschreiben (ausserhalb der Handelsbilanz unter Verrechnung mit den aufgedeckten stillen Reserven). Der aufgedeckte selbst geschaffene Mehrwert (Goodwill) ist innert 10 Jahren abzuschreiben. In Bezug auf diese jährlichen Abschreibungen ist das geltende Niederstwertprinzip zu berücksichtigen. Somit sind auch bei allfälligen Verkäufen von Aktiven und/oder ganzen Geschäftsteilen, welche eine Verminderung des aufgedeckten Mehrwertes zu Folge haben, die steuerlich noch vorhandenen stillen Reserven entsprechend abzuschreiben (Reduktion des handelsrechtlichen Gewinns). Die in der Steuerbilanz ausgewiesenen stillen Reserven sind auch bei allfälligen steuerneutralen Umstrukturierungen nach § 75 StG den jeweiligen Aktiven bzw. Betriebsteilen sachgerecht zuzuweisen.
Diese Grundsätze sind auch wegleitend für die altrechtliche Aufdeckung von stillen Reserven beim Wechsel aus einem privilegierten Steuerstatus (z.B. Verwaltungsgesellschaft) in den ordentlichen Steuerbereich (Wegfall des Steuerprivilegs per 31.12.2019).
Bezüglich Abschreibung der aufgedeckten stillen Reserven ist die Mindestbesteuerung von 30% gemäss § 72c StG in Verbindung mit § 259b Abs. 3 StG zu beachten. Im Weiteren sind die aufgedeckten stillen Reserven im steuerbaren Kapital nachzuführen.
Demgegenüber regelt die übergangsrechtliche Bestimmung von § 259b StG unter den Absätzen 1 und 2 die Aufdeckung stiller Reserven nach neuem Recht, beim Statuswechsel per 1.1.2020 unter Einführung eines Sondersatzes (Zweisatzmodell), ohne dass eine versteuerte stille Reserve zu bilden ist. Weitere Ausführungen zum Step-up sind unter LU StB Bd. 2 Weisungen StG § 259b Nr. 1 zu finden.
6. Besteuerung stiller Reserven am Ende der Steuerpflicht nach § 72e
Am Ende der Steuerpflicht ist über alle stillen Reserven einschliesslich des selbst geschaffenen Mehrwerts (Goodwill) steuerlich abzurechnen. Konnten im Zeitpunkt des Zuzugs oder des Eintritts in die Steuerpflicht die stillen Reserven nach § 72d steuerneutral aufgedeckt werden, ist bei Ende der Steuerpflicht für die Bewertung des Mehrwerts die gleiche Methode wie seinerzeit bei der Aufdeckung anzuwenden, sofern sich die Ausgangslage des jeweiligen Unternehmens wirtschaftlich nicht grundlegend verändert hat.
Gesetzlich ist nun präzisiert, dass steuerlich auch über einzelne Funktionen abzurechnen ist, wenn diese ins Ausland verlegt werden. Unter die steuerliche Funktionsverlagerung fällt beispielsweise die Übertragung einzelner Geschäftstätigkeiten im Bereich der Verkaufsaktivitäten, Materialbeschaffung, Produktion und Dienstleistungen. Eine steuerliche Abrechnung der stillen Reserven gilt auch bei Übertragung von Vermögenswerten, Betrieben und Teilbetrieben in ein ausländisches Steuerhoheitsgebiet oder die Übertragung solcher Werte in eine Steuerbefreiung nach § 70 Abs. 1 StG.
Die stillen Reserven auf Liegenschaften sind letztlich bei Liquidation der Gesellschaft steuerlich abzurechnen. Eine Sitzverlegung der Gesellschaft ins Ausland unter Beibehaltung der Grundstücke in der Schweiz und somit einer wirtschaftlichen Zugehörigkeit zur Schweiz, bedingt noch keine steuerliche Abrechnung der diesbezüglichen stillen Reserven.