Wirtschaftliche Handänderung

 

Die Generalklausel am Anfang dieser Bestimmung erfasst grundsätzlich alle Fälle, die wirtschaftlich betrachtet eine Handänderung an einem Grundstück darstellen. Eine wirtschaftliche Handänderung ist dann anzunehmen, wenn die Verfügungsgewalt über ein Grundstück - wichtigster Inhalt des zivilrechtlichen Eigentums - übertragen wird. Damit tritt wirtschaftlich und tatsächlich eine ähnliche Wirkung wie bei einer zivilrechtlichen Handänderung ein.

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Die Verfügungsmacht über Grundeigentum kann allenfalls auch dadurch übertragen werden, dass Liegenschaften ohne Grundbucheintrag in eine stille Gesellschaft eingebracht werden (StR 1999, 267; StE 1997 B 42.22 Nr. 7). 

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Unter Ziff. 3a - c werden die wichtigsten wirtschaftlichen Handänderungen ausdrücklich aufgeführt. 

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1. Veräusserung von Beteiligungen an Immobiliengesellschaften

 

Die Regelung von § 2 Ziff. 3a deckt sich inhaltlich mit § 3 Ziff. 2 GGStG (vgl. sinngemäss LU StB Bd. 3 Weisungen GGStG § 3 Ziff. 2 N 8 ff.). 

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2. Übertragung eines Kaufrechts, Eintritt in einen Kauf- oder Kaufvorvertrag, Verzicht auf Rechte aus solchen Verträgen

 

Mit dieser Bestimmung sollen die Fälle erfasst werden, in denen jemand nicht den Erwerb des zivilrechtlichen Eigentums für sich selbst anstrebt, sondern sich mit der wirtschaftlichen Verfügungsmacht begnügt, um anschliessend, gleich wie eine Eigentümerin oder ein Eigentümer, Rechte und Pflichten aus dem Vertrag auf Dritte zu übertragen. Solche Geschäfte dienen in der Regel dazu, einen Zwischengewinn zu realisieren. Die Realisation eines solchen Zwischengewinns ist allerdings nicht Voraussetzung für die Erhebung der Handänderungssteuer. Es werden also zwei Rechtsgeschäfte abgeschlossen:

a) Man erwirbt die Verfügungsgewalt über ein Grundstück durch den Abschluss eines Kauf-, Kaufrechts- oder Kaufvorvertrages. Ein Kauf- bzw. Kaufvorvertrag muss jedoch mit einer Substitutionsklausel versehen sein. Nur in diesem Fall kann beliebig über das Grundstück verfügt werden. Andernfalls ist der Austausch einer Vertragspartei (durch Eintritt) von der Zustimmung der anderen Vertragspartei abhängig.

b) Die erworbene Verfügungsgewalt wird auf Dritte übertragen, indem man diese in den Kauf- oder Kaufvorvertrag eintreten lässt oder ihnen das Kaufrecht überträgt.

Erst wenn auch das zweite Rechtsgeschäft abgeschlossen worden ist, ist eine wirtschaftliche Handänderung gegeben (§ 4). Die Begründung eines Kaufrechts und der Abschluss eines Kaufvorvertrages für sich allein lösen noch keine Handänderungssteuer aus, ebensowenig der Abschluss eines Kaufvertrages ohne Eintragung in das Grundbuch.

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Ein zivilrechtlich formungültiges Kaufrecht wirkt sich unter bestimmten Voraussetzungen (formlose Erteilung des Rechts zur Bebauung, Parzellierung und Überbauung, verbunden mit der freiwilligen Erfüllung der ungültigen Verpflichtung aus dem schriftlichen Kaufrechtsvertrag) wirtschaftlich wie eine Veräusserung aus und unterliegt deshalb der Handänderungssteuer (BGE vom 22.3.1985 i.S. R. in ASA 54, 690 bzw. StE 1985 B 42.22 Nr. 1; LGVE 2011 II Nr. 25).

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Steuerpflichtig ist auch der Verzicht auf die Rechte aus einem Kauf-, Kaufrechts- oder Kaufvorvertrag, sofern damit Dritten der Erwerb des Grundstücks ermöglicht werden soll und diese das Grundstück in der Folge auch erwerben. Der Verzicht braucht weder ausdrücklich noch gegen Entschädigung zu erfolgen (VGE vom 18.1.2000 i.S. E.; VGE vom 1.3.1989 i.S. V.; StE 1992 B 42.22 Nr. 6). Es genügt, wenn die Verzichtenden um die geplante Eigentumsübertragung an Dritte wissen und wenn die Übertragung erst durch den Verzicht ermöglicht wird (LGVE 1990 II Nr. 22). Wirtschaftlich betrachtet wird damit derselbe Erfolg erzielt, wie wenn die Berechtigten das Grundstück zunächst selbst erworben und dann an Dritte weiterveräussert hätten.

Mit der Veranlagung ist in diesen Fällen jedoch zuzuwarten, bis die Dritten das Grundstück erworben haben. Erst dann sind alle Voraussetzungen für die Erhebung einer Handänderungssteuer erfüllt (§ 4). Massgebender Zeitpunkt ist das Datum des Erwerbs durch die Dritten.

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Wird ein Kaufrecht auf eine einfache Gesellschaft übertragen, der ausser der Kaufrechtsnehmerschaft noch weitere Personen angehören, welche der Kaufrechtsnehmerschaft für den Eintritt in die Gesellschaft eine Vergütung entrichtet haben, so liegt eine Teilveräusserung bzw. eine Teilübertragung des Kaufrechts vor. Dadurch wird Dritten der Erwerb einer Eigentumsquote am Grundstück ermöglicht. Auch diese Teilveräusserung ist handänderungssteuerpflichtig (vgl. LGVE 1975 II Nr. 39). 

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In all diesen Fällen ist stets die Zwischenhändlerin bzw. der Zwischenhändler steuerpflichtig. Die Person, die das Kaufrecht an Dritte überträgt oder zu deren Gunsten auf die Ausübung ihres Rechts verzichtet; die Vertragspartei, die Dritte in den Vertrag eintreten lässt usw. Bei mehreren wirtschaftlichen Handänderungen (sog. Kettengeschäfte) ist steuerpflichtig im Sinn von § 2 stets die Inhaberin bzw. der Inhaber eines solchen Rechtes, die dieses an Dritte weiterveräussern.

Zur Berechnung des Handänderungssteuerwertes vgl. § 9.

 

Beispiel eines sogenannten Kettengeschäftes

a) A räumt B ein Kaufrecht ein
> Keine steuerpflichtige Handänderung

b) B überträgt das Kaufrecht  an C
> Wirtschaftliche Handänderung zwischen A und B gemäss § 2 Ziff. 3b; B ist steuerpflichtig

c) C verzichtet zugunsten von D auf die Ausübung des Kaufrechts
> Keine Steuerpflicht

d) D erwirbt das Grundstück, Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch
> Zivilrechtliche Handänderung zwischen A und D gemäss § 2 Ziff 1; D ist handänderungssteuerpflichtig
> Wirtschaftliche Handänderung zwischen B und C gemäss § 2 Ziff 3b; C ist steuerpflichtig

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Der Verzicht auf ein Vorkaufsrecht wird jedoch in der Regel nicht als wirtschaftliche Handänderung besteuert, es sei denn bei Vorliegen besonderer Umstände. Solche können gegeben sein in den Fällen von Art. 42 ff. des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht. Diese Bestimmungen ermöglichen bestimmten, im Gesetz genannten Vorkaufsberechtigten grundsätzlich den Erwerb eines landwirtschaftlichen Gewerbes zum Ertragswert bzw. den Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks zum doppelten Ertragswert. Dieses gesetzliche Vorkaufsrecht unterscheidet sich dadurch wesentlich von den vertraglichen Vorkaufsrechten, bei denen die Berechtigten das Grundstück in der Regel nur zu gleichen Bedingungen wie Dritte kaufen können. Die Möglichkeit, das Grundstück zum (doppelten) Ertragswert zu übernehmen, verstärkt das gesetzliche Vorkaufsrecht und lässt es in seinen Auswirkungen einem Kaufsrecht nahekommen. 

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Verzichten nun Vorkaufsberechtigte gegen eine erhebliche Entschädigung auf ihr Vorkaufsrecht, um Dritten den Erwerb des Landwirtschaftsbetriebes zu ermöglichen, so ist zu prüfen, ob nicht eine wirtschaftliche Handänderung gemäss § 2 Ziff. 3b zwischen den Vorkaufsberechtigten und den tatsächlichen Erwerberinnen oder Erwerbern vorliegt. Eine solche wirtschaftliche Handänderung muss auch bejaht werden, wenn Vorkaufsberechtigte als eigentliche Verkäuferschaft des Grundstücks auftreten. Wirtschaftlich betrachtet wird damit der gleiche Erfolg erzielt, wie wenn Vorkaufsberechtigte zunächst ihr Vorkaufsrecht ausüben und daraufhin das landwirtschaftliche Gewerbe oder Grundstück an Dritte übertragen hätten. 

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3. Belastung mit Dienstbarkeiten 

 

Steuerpflichtig ist auch die Einräumung einer Dienstbarkeit, wenn damit ein wesentlicher Teil der aus dem Eigentum fliessenden Rechte dauernd auf Dritte übertragen wird. Damit eine Steuerpflicht begründet wird, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: 

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a) Die Belastung muss dauernd, d.h. für mindestens 30 Jahre begründet sein. Dabei ist auf die obligatorische Wirkung des Vertrages abzustellen (LGVE 1994 II Nr. 23). Die Begründung eines selbständigen und dauernden Baurechts von 30 Jahren unterliegt der Handänderungssteuer, auch wenn es bereits nach 7 Jahren aufgehoben wird (BStP 1996, 131). 
Nicht übertragbare Personaldienstbarkeiten wie beispielsweise Nutzniessung oder Wohnrecht sind zu Gunsten von bestimmten Personen errichtet und somit nicht dauernd. Ihre Begründung ist deshalb nicht steuerpflichtig (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz 3. Auflage, § 216 N 123 f.). Ist eine Personaldienstbarkeit übertragbar bzw. vererblich, ist sie dauernd im Sinn von § 2 Ziff. 3b, sofern deren Dauer im Vertrag nicht auf unter 30 Jahren beschränkt bleibt.
Es kommt nicht darauf an, ob es sich um ein selbständiges oder unselbständiges Recht handelt (LGVE 1994 II Nr. 23).

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b) Die Bewirtschaftung oder der Veräusserungswert des Grundstücks oder eines Grundstückteils (VGE vom 29.7.1997 i.S. G und P.) muss wesentlich beeinträchtigt werden. Betrifft die Beeinträchtigung nur einen Teil des Grundstücks, ist deren Wesentlichkeit bezogen auf den betroffenen Grundstückteil zu beurteilen. Eine wesentliche Beeinträchtigung ist namentlich anzunehmen bei der Einräumung von Bau-, Kiesausbeutungs- oder Deponierechten oder bei der Errichtung eines Bauverbots; unter Umständen auch bei einschneidenden Bauhöhebeschränkungen oder Näherbaurechten, welche die Überbauungsmöglichkeit des belasteten Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Dagegen kann beispielsweise in der Einräumung eines Fusswegrechts zu Gunsten des Nachbargrundstücks noch keine wesentliche Beeinträchtigung der Bewirtschaftungs- oder Veräusserungsmöglichkeiten erblickt werden. Ebenfalls keine wesentliche Beeinträchtigung ist in der Regel in der Einräumung eines Bau- oder Einbaurechts für die Errichtung einer Transformatoren-Station an die CKW zu erblicken. Dabei ist nicht von Bedeutung, ob die Entschädigung in einer einmaligen Zahlung oder in Raten ausgerichtet wird. Jede dingliche Belastung, welche einen wesentlichen Teil der Eigentümerbefugnisse dauernd auf einen Dritten übergehen lässt, löst eine Handänderungssteuer aus. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei der dinglichen Berechtigung nicht um ein selbständiges Recht handelt (LGVE 1994 II Nr. 23).  

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Die Verlängerung einer solchen Dienstbarkeit stellt eine steuerpflichtige Handänderung dar (SZ-VGE vom 26.7.1989 in StPS 1990, 139). Die Steuer ist unter Berücksichtigung der neuen (gesamten) Vertragsdauer und Anrechnung der bereits veranlagten Steuer neu zu berechnen. Analoges gilt bei Verlängerung einer solchen Dienstbarkeit auf insgesamt über 30 Jahre, auch wenn sie ursprünglich nicht dauernd (d.h. für weniger als 30 Jahre begründet) war. 

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Als steuerbegründende Handänderung gilt auch die Ablösung einer Dienstbarkeit, welche die unbeschränkte Bewirtschaftung oder den Veräusserungswert des bisher belasteten Grundstücks dauernd und wesentlich beeinträchtigt hat (BGE 139 II 363 Erw. 3; z.B. Löschung eines Bauverbots). Steuerpflichtig ist der Eigentümer des bisher belasteten Grundstücks.

Der vorzeitige Heimfall eines Baurechtsgrundstücks ohne Löschung des Baurechts stellt eine Rückübertragung des Baurechtsgrundstücks an den Baurechtsgeber und damit eine steuerpflichtige Handänderung im Sinn von § 2 Ziff. 1 HStG dar.

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Als steuerbegründende Handänderung ist ferner die Übertragung von Ausnützungsrechten anzusehen, sofern dadurch die Bewirtschaftung oder der Verkehrswert des Grundstücks dauernd und wesentlich beeinträchtigt wird. 

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Wird eine Dienstbarkeit als selbständiges und dauerndes Recht bestellt und ins Grundbuch aufgenommen, gilt es nachher gemäss Art. 655 Abs. 2 ZGB als selbständiges Grundstück, dessen Weiterveräusserung eine steuerbegründende Handänderung im Sinne von § 2 Ziff. 1 HStG darstellt.

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