1. Allgemeines
1.1 Erbanfallsteuer
Gemäss § 1 Abs. 1 EStG sind die im Kanton Luzern fallenden Verlassenschaften Gegenstand der Erbschaftssteuer. Verlassenschaft ist ein veraltetes Wort für Erbschaft oder Nachlass. Die luzernische Erbschaftssteuer ist jedoch nicht als Nachlasssteuer konzipiert, d.h. die Steuer wird nicht auf dem vom Erblasser oder von der Erblasserin hinterlassenen Vermögen als Ganzes erhoben. Vielmehr handelt es sich um eine Erbanfallsteuer, d.h. sie erfasst die jeder einzelnen Person zukommende Vermögensquote (VGE vom 22. September 1993 i.S. S.).
1.2 Zivilrechtliche Auslegung
Nach Wortlaut und Aufbau des Erbschaftssteuergesetzes liegen die steuerbegründenden bzw. steuerauslösenden Tatbestände in rein zivilrechtlichen Vorgängen. Dies ergibt sich insbesondere aus § 3 EStG, der die Steuersätze an den Erbgang und die Erbenqualität knüpft. In diesem Sinne sind die Bestimmungen des EStG zivilrechtlich auszulegen. Die Subsumtion unter das jeweils massgebende zivilrechtliche Institut ist für die Anwendung der steuerrechtlichen Bestimmungen massgebend (VGE vom 10. Juni 1997 i.S. Sch.).
1.2.1 Ausschlagung
Die Ausschlagung der Erbschaft (Art. 566 ff. ZGB) hat - vorbehältlich eines Rechtsmissbrauchs - die gleiche Wirkung wie im Zivilrecht: wer rechtsgültig ausgeschlagen hat, verliert rückwirkend auf den Tod des Erblassers oder der Erblasserin seine Erbenstellung und ist daher grundsätzlich nicht erbschaftssteuerpflichtig (mit Ausnahme der vom Erblasser oder der Erblasserin zugewendeten Vorempfänge, Vermächtnisse, Versicherungsansprüche; Überschusserlös aus konkursamtlicher Liquidation der Erbschaft gemäss Art. 573 ZGB).
Steuerpflichtig werden die von der Ausschlagung profitierenden Erbinnen und Erben. Das Steuermass richtet sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Erblasser/der Erblasserin und diesen Personen (LGVE 1974 II Nr. 49).
1.2.2 Ungültige und herabsetzbare Verfügungen von Todes wegen
Eine an sich ungültige oder herabsetzbare Verfügung von Todes wegen (Art. 519 ff. ZGB) unterliegt vollumfänglich der Erbschaftssteuer, wenn dagegen nicht erfolgreich eine Ungültigkeits- oder Herabsetzungsklage eingereicht wurde (LGVE 1976 II Nr. 26; für die steuerliche Berücksichtigung eines erbrechtlichen Vergleichs vgl. Ziff. 1.3).
1.2.3 Ehevertragliche Übertragung des Gesamtguts
Haben sich die (kinderlosen) Ehegatten in einem Ehe- und Erbvertrag dem Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft unterstellt und vereinbart, dass beim Vorversterben eines Ehegatten das Gesamtgut ins Alleineigentum des überlebenden Ehegatten falle, erfolgt der Übergang des Gesamtgutes kraft rechtsgeschäftlicher (ehegüterrechtlicher) und nicht kraft erbrechtlicher Universalsukzession. Somit ist der überlebende Ehegatte im Verhältnis zu den gesetzlichen Erbinnen und Erben nicht Vorerbe, auch wenn gemäss Erbvertrag nach seinem Tode das noch vorhandene Vermögen je zur Hälfte an die gesetzlichen Erbinnen und Erben des Ehemannes und der Ehefrau fällt. Für den Steuersatz ist deshalb das Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Erben/Erbinnen und dem zweitverstorbenen Ehegatten massgebend (VGE vom 10. Juni 1997 i.S. S., bestätigt durch BGE vom 4. Juni 1998 in Die Praxis 1999, 189).
1.3 Private Abmachungen zwischen den Erben/Erbinnen
Private Vereinbarungen zwischen den Erben/Erbinnen z.B. über die Erbquoten oder über die testamentarische oder gesetzliche Erbfolge sind erbschaftssteuerlich unbeachtlich, weil das Steuerobjekt sich grundsätzlich nach dem gesetzlichen Rechtsübergang oder nach dem letzten Willen des Erblassers/der Erblasserin bestimmt (LGVE 1976 II Nr. 25). Ausnahme: erbrechtlicher Vergleich; siehe unten). Verzichtet also z.B. ein Kind zu Gunsten des überlebenden Elternteils auf den ihm gemäss Erbrecht oder letztwilliger Verfügung zukommenden Erbanteil, ist ihm gegenüber die Nachkommenerbschaftssteuer auf diesem Erbanteil gleichwohl zu veranlagen und zu beziehen (ausser es habe die Erbschaft in nicht rechtsmissbräuchlicher Weise ausgeschlagen: siehe Ziff. 1.2.1).
Findet eine zwischen den beteiligten Erbansprechern streitige Erbschaftssache, bei welcher ernsthafte tatsächliche oder rechtliche Zweifel über den Bestand und Umfang der einzelnen Erbansprüche vorlagen, ihren Abschluss mit einem erbrechtlichen Vergleich, ist dieser steuerrechtlich massgeblich. Anders verhielte es sich dann, wenn die getroffene Verständigung der Steuerumgehung (Steuerverkürzung) dienen würde. Das Vermögen, das aufgrund und anstelle einer umstrittenen letztwilligen Verfügung durch gegenseitige Vereinbarung anfällt, unterliegt daher der Erbschaftssteuer, selbst wenn im Vergleich die andere Partei als Alleinerbin anerkannt wird (LGVE 1994 II Nr. 22; BGE 105 Ia 54). Hat ein Erblasser oder eine Erblasserin abweichend von einem bestehenden Erbvertrag testiert, besteht in der Regel eine unsichere Rechtslage über Bestand und Umfang der erbrechtlichen Ansprüche, die es erlaubt, einen Vergleich zwischen den Erben bzw. Erbinnen erbschaftssteuerlich zu berücksichtigen (VGE vom 15. Juli 1996 i.S. S., bestätigt durch BGE vom 21. September 1999).
2. Steuerobjekte
Steuerobjekt der Erbschaftssteuer sind zunächst alle Fälle erbrechtlicher Rechtsnachfolge, unabhängig davon, ob die Rechtsnachfolge von einer natürlichen oder juristischen Person von Gesetzes wegen oder aufgrund einer gewillkürten Rechtsnachfolge (Testament, Erbvertrag) angetreten wurde (vgl. § 4 Abs. 1 EStG).
Nebst den Fällen der erbrechtlichen Rechtsnachfolge unterliegen auch andere Erwerbsarten von Vermögen auf den Tod des Erblassers oder der Erblasserin hin der Erbschaftssteuer, so insbesondere
a) die Schenkung auf den Todesfall (Art. 245 Abs. 2 OR)
b) der Rückfall einer Schenkung beim Tod der beschenkten Person (Art. 247 OR)
c) Schenkungen (auch gemischte Schenkungen), Erbvorempfänge und Leistungen aufgrund von Erbverzichtsverträgen nach Massgabe von § 6 EStG
d) Ansprüche aus Versicherungen nach Massgabe von § 1 Abs. 2 EStG (siehe Ziff. 3)
e) Leistungen aufgrund eines erbrechtlichen Vergleichs (siehe Ziff. 1.3)
Demnach ist grundsätzlich jede Bereicherung, welche bei einer Person infolge des Todes einer anderen Person eintritt, Steuerobjekt der Erbschaftssteuer (Ausnahmen siehe LU StB Bd. 3 Weisungen EStG § 11 Nr. 1; für die Abgrenzung zum Einkommen vgl. LU StB Bd. 3 Weisungen EStG § 6 Nr. 1 Ziff. 2).
3. Ansprüche aus Versicherungen
Nach § 1 Abs. 2 EStG ist eine Erbschaftssteuer auch zu entrichten auf Ansprüchen aus Versicherungen, die in den letzten fünf Jahren vor, mit oder nach dem Tod der Erblasserin oder des Erblassers fällig werden, soweit sie nicht der Einkommenssteuer unterliegt.
3.1 Versicherungsleistungen, die der Einkommenssteuer unterliegen
Kapitalzahlungen einer Versicherung anlässlich des Todes eines Versicherungsnehmers oder einer Versicherungsnehmerin an eine gemäss Gesetz oder Versicherungsvertrag begünstigte Person können sowohl aus öffentlich-rechtlichen wie aus privatrechtlichen Versicherungen anfallen, z. B. aus einer privaten oder gesetzlichen Unfallversicherung, einer Haftpflichtversicherung, aber auch aus beruflicher Vorsorge (Säule 2 und 3a). Solche Kapitalzahlungen unterliegen in der Regel der Einkommenssteuer (§§ 29 und 30 lit. b StG). Dies gilt insbesondere für:
- Leistungen aus der Säule 2 und 3a (Besteuerung nach § 58 StG)
- Leistungen aus nichtrückkaufsfähigen Risikoversicherungen der Säule 3b (Besteuerung nach § 58 StG)
- im Erlebensfall oder bei Rückkauf ausbezahlte rückkaufsfähige, mit Einmalprämie finanzierte Kapitalversicherungen, die nicht der Vorsorge dienen (vgl. § 27 Abs. 1 lit. a StG; Besteuerung zusammen mit dem übrigen Einkommen)
- Ansprüche aus Versorgerschaden (Besteuerung nach § 58 StG)
- 40% der Leistungen aus Rentenversicherung (inkl. Kapitalzahlungen bei Rückkauf und Prämienrückgewähr im Todesfall)
Vgl. auch die Übersicht über die Besteuerung von Versicherungsleistungen in LU StB Bd. 1 Weisungen StG § 29 Nr. 6
3.2 Versicherungsleistungen, die der Erbschaftssteuer unterliegen
3.2.1 Versicherungsleistungen, die nicht in den Nachlass fallen
Versicherungsleistungen, die nicht in den Nachlass eines Versicherungsnehmers oder einer Versicherungsnehmerin fallen, sondern aus Versicherungsrecht bzw. Versicherungsvertrag aufgrund einer Begünstigungsklausel direkt einer begünstigten Person zufliessen, sind nach § 1 Abs. 2 EStG mit der Erbschaftssteuer zu erfassen, falls die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- Der Versicherungsnehmer oder die Versicherungsnehmerin ist nach dem 31. Dezember 2000 gestorben.
- Die Versicherungsleistung unterliegt nicht der Einkommenssteuer (vgl. Ziffer 3.1).
- Die Versicherungsleistung ist innerhalb von 5 Jahren vor dem Tod oder mit dem Tod oder nach dem Tod des Versicherungsnehmers bzw. der Versicherungsnehmerin (Erblasser oder Erblasserin) fällig geworden.
Dabei handelt es sich insbesondere um:
- Kapitalzahlungen (inkl. Überschussanteil) aus rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen (100%) und Rentenversicherungen (60%) mit Begünstigungsklausel im Sinne von § 1 Abs. 2 EStG.
- Rückkaufswert von nicht fälligen Personenversicherungen (Terminversicherung, Versicherung auf fremdes Leben) mit unwiderruflicher Begünstigung.
- Genugtuungsansprüche.
3.2.2 Versicherungsleistungen, die in den Nachlass fallen
Folgende Versicherungsleistungen fallen in den Nachlass und sind daher erbschaftssteuerpflichtig:
- noch vor Eintritt des Todes zugunsten des Erblassers/der Erblasserin fällig gewordene Versicherungsansprüche
- mit dem Tod des Erblassers/der Erblasserin fällig gewordene rückkaufsfähige Kapitalversicherungen (100%) und Rentenversicherungen (60%) ohne Begünstigungsklausel
- der Rückkaufswert von nicht zufolge des Todes fällig werdenden Lebensversicherungen des Erblassers oder der Erblasserin ohne Begünstigung oder mit widerruflicher Begünstigung (Terminversicherung; Versicherung auf fremdes Leben)
- mit dem Tod des Erblassers/der Erblasserin fällig gewordene Ansprüche aus Sachversicherungen
3.3 Lebensversicherungen beim Tod eines Ehegatten
Die Frage, welcher Gütermasse (Errungenschaft, Eigengut, Gesamtgut) die Versicherungsleistungen bzw. der Rückkaufswert zuzuordnen sind, ergibt sich aufgrund des Güterstandes der Ehegatten und den entsprechenden güterrechtlichen Bestimmungen (Art. 181 ff. ZGB).
Bei während der Ehe abgeschlossenen Versicherungen ist der Wert der Versicherung grundsätzlich der Errungenschaft (ordentlicher Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung) oder dem Gesamtgut (Güterstand der Gütergemeinschaft) zuzuweisen, wenn es sich nicht klar um Eigengut handelt. Bei Gütertrennung gehört ein entsprechender Versicherungsanspruch zum Vermögen des jeweiligen Ehegatten, sofern keine Begünstigung vorgenommen wurde.
Bei vor der Ehe abgeschlossenen Versicherungen fällt der Wert der Versicherung ebenfalls ins Vermögen (Eigengut) des Erblassers/der Erblasserin.
Beim Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung fallen Sozialversicherungsleistungen in die Errungenschaft des Versicherungsnehmers/der Versicherungsnehmerin, unabhängig davon, aus welchen Mitteln diese Leistungen finanziert wurden und ob ein Teil der Finanzierung bereits vor Begründung des Güterstandes der Errungenschaftsbeteiligung erfolgte (Art. 197 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB).