01.01.2024

Nutzniessung

1. Grundsätzliches

Wird ein Vermögensgegenstand (Guthaben, Sachwert, Liegenschaft) vom Erblasser oder von der Erblasserin nutzniessungsbelastet zugewendet, bilden sowohl der Barwert der Nutzniessung wie auch das belastete Eigentum je ein der Erbschaftssteuer unterworfenes Steuerobjekt. Die in LGVE 1974 II Nr. 50 ohne nähere Begründung und Auseinandersetzung mit der anderslautenden Praxis, Rechtsprechung und Literatur des Kantons Luzern vertretene Auffassung, wonach der Anfall der Nutzniessung kein Steuerobjekt bilde, beruht offenbar auf einem Versehen des Gerichts und wird in der Praxis nicht befolgt.

Der Barwert der Nutzniessung wird zum Steuersatz aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses Erblasser/Erblasserin - nutzniessungsberechtigte Person besteuert (für die Berechnung des Barwerts vgl. LU StB Bd. 3 Weisungen GGStG § 9 N 10).

Der Wert des belasteten Eigentums (Wert des unbelasteten Vermögens abzüglich Barwert der Nutzniessung) wird zum Steuersatz aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses Erblasser/Erblasserin - Erbe/Erbin besteuert.

Beispiel
Der Erblasser hat die selbstbewohnte Liegenschaft seinem Sohn, der im Todeszeitpunkt nicht in dieser Liegenschaft wohnte, vererbt. Gleichzeitig hat er seiner Ehefrau die lebenslängliche Nutzniessung an dieser Liegenschaft zugewendet.

 Position CHF
Katasterwert der unbelasteten Liegenschaft 500'000
Steuerwert gemäss § 48 Abs. 2 lit. b StG (LU StB Bd. 3 Weisungen EStG § 7 Nr. 1 Ziff. 1.2) 500'000
Barwert Nutzniessung 100'000
Erbschaftssteuerwert der belasteten Liegenschaft (steuerpflichtig zum Satz für Nachkommen) 400'000

Sowohl die Steuer für das belastete Eigentum wie auch die Steuer für die Nutzniessung sind von den Erbinnen und Erben zu bezahlen. Diese können jedoch die Steuer für die Nutzniessung vom nutzniessungsbelasteten Guthaben in Abzug bringen. Dieser Abzug vermindert den für die Bemessung der Erbschaftssteuer massgebenden Wert des Nutzniessungsvermögens nicht.

Der kapitalisierte Wert der Nutzniessung ist keine Nachlassschuld.

Die Besteuerung der Nutzniessung an einer Liegenschaft steht dem Liegenschaftskanton zu (Nutzniessungswert und belastetes Eigentum).

Die Schenkung eines Vermögensgegenstandes unter Vorbehalt der lebenslänglichen Nutzniessung ist eine Schenkung unter Lebenden und nicht eine solche auf den Todesfall. Der Wegfall der Nutzniessung anlässlich des Todes der schenkenden Person begründet keinen Steueranspruch (LGVE 1974 II Nr. 50).

Hat der Erblasser oder die Erblasserin eine Rente zugewendet, die mit oder nach dem Tod des Erblassers oder der Erblasserin zu laufen beginnt, ist der Rentenbarwert erbschaftssteuerpflichtig. Die Berechnung dieses Barwerts erfolgt gleich wie derjenige einer Nutzniessung.

Wurde anstelle einer Nutzniessung ein Wohnrecht zugewendet, sind der Barwert des Wohnrechts und das Nackteigentum in analoger Weise zu besteuern.

2. Nutzniessung zu Gunsten des überlebenden Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebenspartners

Wird der überlebende Ehegatte, eingetragene Partner oder Lebenspartner (für Todesfälle ab 1.1.2018) anlässlich des Todes des anderen Ehegatten bzw. eingetragenen Partners bzw. Lebenspartners durch letztwillige Verfügung als Nutzniesser eingesetzt und der nutzniessungsbelastete Vermögensgegenstand einem anderen Erben bzw. einer anderen Erbin zugewendet, entfällt für die kapitalisierte Nutzniessung die Erbschaftssteuerpflicht (§ 11 Abs. 1e EStG). Die auf das Nackteigentum entfallende Erbschaftssteuer ist zwar umgehend zu veranlagen. Der Bezug der Steuer kann jedoch gemäss § 9 Abs. 2 EStG erst beim Wegfall der Nutzniessung (in der Regel beim Tod der nutzniessungsberechtigten Person) erfolgen, damit das Nutzniessungsvermögen der nutzniessungsberechtigten Person nicht durch die Erbschaftssteuer geschmälert wird. Fälligkeit und Beginn des Zinsenlaufs sind somit bis zum Wegfall der Nutzniessung aufgeschoben (vgl. § 9a Abs. 3 EStG). Die Regelung von § 9 Abs. 2 EStG ist auch anzuwenden, wenn ein von der Erbschaftssteuer befreiter Lebenspartner (Todesfälle ab 1.1.2018) Nutzniesser ist.

Den steuerpflichtigen nutzniessungsbeschwerten Erben/Erbinnen steht es frei, die Steuerschuld vorzeitig zu bezahlen. Diesfalls ist der auf das Nackteigentum entfallende Steuerbetrag entsprechend der Restlebenserwartung der nutzniessungsberechtigten Person im Zeitpunkt der Ablösung der Steuerschuld zu diskontieren (LGVE 1976 II Nr. 24 Erw. 2).

Beispiel

 Alter der nutzniessungsberechtigten Ehefrau im Todeszeitpunkt des Erblassers 70 Jahre
 Mittlere Lebenserwartung gemäss Tafel Z3* 20,90 Jahre
Diskontierungssatz 5%
Abzinsungsfaktor für 21 Jahre gemäss Tafel Z5*  0,358942
Erbschaftssteuer geschuldet beim Tod der Nutzniesserin  CHF 10'000
Erbschaftssteuer bei Diskontierung 0,358942 x CHF 10'000  CHF 3'589.40
*Stauffer/Schaetzle/Weber, Barwerttafeln, 7. Auflage   

Verzichten die Steuerpflichtigen auf eine vorzeitige Ablösung der Steuerschuld, können die Steuerbehörden für die noch nicht fällige Steuerforderung keine Sicherstellung verfügen (LGVE 1976 II Nr. 24 Erw. 3). Für die Erbschaftssteuern bei Todesfällen besteht jedoch ein gesetzliches Pfandrecht nach Massgabe von § 10 Abs. 3 EStG für 2 Jahre seit Wegfall der Nutzniessung (§§ 9 Abs. 2, 9a Abs. 3 und 10 Abs. 3 EStG).

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